Freitag, März 29
Shadow

Wenn Tiersenioren „stressig“ werden …

Dass mir das Tier das Liebste ist, sagst du zu mir, sei Sünde …

Einmal mehr bewies sich dieses Jahr meine persönliche Erkenntnis der letzten Jahre, dass man sich echt nicht im organisierten Tiersch(m)utz bewegen muss, um es immer wieder mit so genannten „Tierfreunde“ / „tierliebe Menschen“ zu tun zu bekommen, die einem immer wieder verdeutlichen: Man kann tatsächlich nicht so viel essen, wie man manchmal kotzen möchte.

Vor allem, wenn es heißt: man hat es ja nur gut gemeint und wollte das Beste geben (warum >hat< man es dann nicht auch?!?) und die sich extrem schnell aus der Verantwortung zu winden wissen, wenn’s nicht mehr lustig und einfach ist. In solchen Momenten kann man sich nur in größtmöglicher Selbstbeherrschung üben (situativ bedingt nicht wirklich meine Königsdisziplin) und auf ein stabiles Hilfsnetzwerk hoffen.

Im Sommer fragte mich eine Bekannte (nennen wir sie Andrea), ob ich eventuell jemanden wüsste bzw. mich umhöre, wer eine 14 Jahre alte Katze bei sich aufnimmt? Jackpot wäre jemand, der neben Herz auch jede Menge Hirn, sprich: Sachverstand und Pflicht- wie Verantwortungsbewusstsein, hätte. – Puh, das erschwerte die Suche zusätzlich..

Bei Kira, so hieß die Fellmadame, handelte es sich um eine blaue Britisch Kurzhaar.

Der Einfachheit bzw. Unwissenheit halber wird diese Rasse auch immer wieder gerne als Kartäuser bezeichnet, weshalb man bei blau-grauen Katzenmodellen mindestens zwei Mal und selbst hingucken sollte, um zu wissen, womit man es zu tun bekommt.

Als Kitten zog sie mit einem ihrer Brüder zu Andrea, die leider nach acht Jahren eine Katzenhaarallergie entwickelte und die Beiden zu ihrer Schwester gab, wo sie mit zwei etwa gleichalten Artgenossen ein verträgliches Katzenquartett bildeten.

Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass und wie beruhigt und sicher man sich fühlt (nicht zwingend auch sein kann), wenn die eigenen Tiere, von denen man sich warum auch immer trennen muss, innerhalb der Familie bleiben können.

Im Sommer 2013 verstarb die erste Samtpfote, doch statt sich als Mensch sowie vorallem den zurückgebliebenen Tieren ausreichend Zeit zum Trauern und Verarbeiten zuzugestehen, wurde sich wenig später eine junge Katze geholt – der Platz war schließlich und plötzlich sooo leer.

[Ich erspare es mir und Euch, an solchen Stellen *augenbraue heb* und *augen verdreh* zu vermerken. Wer – wie schon geschrieben – nicht nur viel Herz sondern auch jede Menge Hirn hat, macht dies in Natura ganz automatisch von selbst.]

Selbstverständlich war der neue Stubentiger nun der Star schlechthin, zumindest so lange, bis (innerhalb von etwa neun Monaten) schließlich auch Nr. 2 sowie 3 der Alttiere verstarben und weiteres Junggemüse angeschafft wurde, um erneut diese Leere auszufüllen. Klar, auch darum wurde entsprechender Zirkus veranstaltet! Schließlich waren sie so neu, so jung, so lustig, so süß, so niedlich, so frisch!

Kira, die sprichwörtlich Letzte ihrer Art und Gruppe, stand in ihrem hohem Alter von vergleichbaren 70 Menschenjahren dem blanken Wahnsinn gegenüber (zu allem bestehenden Jungkatzenübel meldete sich auch noch menschlicher Nachwuchs an), sodass im Lauf der Zeit klar wurde, wer nach Einzug des zweiten Jungtieres immer wieder außerhalb der Katzentoiletten pinkelte und dadurch dem Familienfrieden „schadete“ …

Wenn Tiere – angeblich – genau wie wir Menschen Glück, Freude, Schmerz und Trauer empfinden können und wenn – angeblich – Tiere genau wie Kinder die beschützenswertesten Wesen auf diesen Planeten sein sollen … WARUM zum Henker, wird ihnen dann nicht auch die dafür notwendige Zeit – und Hilfsmaßnahmen – zugestanden?!?!

Auch der Mensch, das angeblich höchstentwickelte Lebewesen des Universums, sollte sich in solchen Situationen ernsthaft hinterfragen, ob er auch sich einen echten Gefallen damit tut, wenn er viel zu zeitnah Neues gegen Altes, Lebendiges gegen Totes ersetzt. *?!*

Nun, wie dem auch gewesen sei : Kira wurde Opfer mangels Sachverstand ihrer Menschen!

Mit ihrem daraus resultierenden katzentypischen Verhalten hielt sie ihnen zudem einen Spiegel vor, der natürlich noch weniger gefiel. „Plötzlich“ erinnerte man sich wieder daran, dass Kira ja gar keine eigene Katze, sondern die der Schwester sei und man dem Tier vor sechs Jahren lediglich Asyl, doch kein Zuhause mit allem Drum und Dran, geschweige denn für immer gewährt hatte…

Kira war „stressig“ geworden und damit die Einzige, die nicht mehr so „funktionierte“, dass sie auch für den Alltag weiterhin (er)tragbar war.

Die Ansage der Asylgeber Andrea gegenüber lautete: Sie habe bis zum letzten Wochenende im September Zeit, Kira abzuholen, sonst würde man sie persönlich bringen und vor die Tür stellen!

Jedem, wirklich Jedem, der über einen durchschnittlich klaren Tierverstand verfügte war klar, dass diese Zuhause-Suche sehr schwer, bis nahezu unmöglich werden würde, zumal man nur ins Internet gucken musste und sprichwörtlich an jeder x-beliebigen Ecke jüngere, „bessere“, „brauchbarere“ Katzen hinterher geworfen bekam. Andreas Verzweiflung und teils auch Hilflosigkeit (scheiß Katzenhaarallergie!) wuchs mit jedem Tag, sodass sie Kontakt zu einem hiesigen Tierheim aufbaute, in dem Tiersenioren nicht mehr zwingend zur Vermittlung gestellt werden, sondern mithilfe finanzieller Unterstützung durch Patenschaften ihre Lebensabende freilaufend im Tierheimalltag genießen dürfen.

Grundsätzlich nicht die schlechteste Alternative, doch aufgrund dass Kira bereits Highlife in Tüten ausgesetzt war (was ihr durch offensichtliches Protestpinkeln überhaupt nicht behagte), stellte es zumindest für sie keine ernsthafte Option dar.

Da sich auf Umfrage im persönlichen Kreis nichts ergeben hatte, saß ich also irgendwann wieder an einer neuen Suchmeldung für Kira, hatte das Bild von ihr vor mir, als mir schließlich ein ziemlich „blöder“ Gedanke kam … Mit „Viechzeug“ hatte ich beruflich wie privat eigentlich genug zu tun (manchmal konnte es tatsächlich etwas umtriebig werden), auch sah meine persönliche Lebensplanung anders aus, als auf Jahre hin wegen einem Tier irgendwo „fest zu hängen“.

Für meinen „blöden“ Gedanken sprach allerdings nicht nur Kiras hohes Alter, stabiler Grundcharakter sowie mein Sachverständnis, sondern auch die Tatsache, dass ich weder Kinder, noch sonstigen menschlichen oder tierischen Anhang hatte, der unnötigen Terz machte.

Laut Rassebeschreibung liegt die Lebenserwartung kurzhaariger Briten zwischen 12 und 16 Jahre. Mit ihren 14 war Kira also genau mittendrin und jeder Tag konnte – musste nicht – der Letzte sein.

Andrea und ich kennen uns seit etwa drei Jahren. Ich fragte sie nach Kiras individuellem Wesen, ob und mit welchen anderen Haustierarten sie jemals in Kontakt gekommen war und ob Andrea sich vorstellen könnte, dass Kira mit meinem Alltag (zu dem immer wieder mal andere Tiere gehörten) klar käme?

Wenn Ja, würde ich der Katzenseniorin auf ihre letzten Tage gerne noch ein gechilltes Leben geben.

Nun ja, was soll ich sagen? … Ich erhielt grünes Licht!

Auf meine Empfehlung hin wurde sofort die notwendige Bach-Blüten-Mischung besorgt, ich bereitete eine eigene Rückzug-Räumlichkeit für die erste Zeit vor und bereits nach zwei Wochen – sowie zwei Wochen vor Ablauf des Ultimatums – stand „Madamse“ mit Sack und Pack in der Tür! 🙂

Andrea hatte sich mit ihrer Mutter eigens auf die insgesamt etwa fünfstündige Autofahrt (plus Fell und Sachen einpacken) begeben, um Kira aus ihrem „Asyl“ der letzten sechs Jahre in ein neues Zuhause für die letzten Monate zu bringen.

Alte Tiere in neue Zuhause eingewöhnen, ist eigentlich kein Hexenwerk, allerdings auch kein romantischer Sonntagsspaziergang … Wer nicht wirklich (zu etwa 99,9%) über das notwendige Know-How verfügt, sollte die Finger von solchen Aktionen lassen. Denn nicht selten geraten ausgerechnet Tiere aus der einen schlechten Haltung im nächsten „doch nur gut gemeinten“ Desaster und das muss ja wirklich nicht sein, oder?!

> Hier geht’s zum zweiten Teil von Kiras Geschichte.

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