Vielleicht sollte ich mich mal ernsthaft damit auseinander setzen, mein Fell weg zu geben, damit ich dadurch nicht (auch) immer wieder in Situationen gerate, in denen ich fast nicht anders kann und mir Aufgaben stelle, an die ich ohne Fell nie geraten würde … Vielleicht sollte ich mich aber auch einfach damit zufrieden geben und dazu stehen, dass ich bin, wie ich bin.
Für unser heutiges Mittagsgassi wählte ich eine Route, die wir ungefähr jedes zehnte Mal bei unseren Waldbesuchen gehen, dementsprechend uninformiert war ich über die aktuellen Geschehnisse auf dieser Strecke.
Wir gingen einen typischen Waldwirtschaftsweg entlang, als wir an einer Pfütze vorbei kamen, in der sich eine Riesenmenge von kleinen, schwarzen Kaulquappen ohne Beine tummelte.
Mehr auf mein Fell konzentriert, waren wir schon so gut wie an der Pfütze vorbei, als es bei mir Klick machte: Kaulquappen noch ohne Beine, von der Endphase ihrer Entwicklung noch weit entfernt … In dieser Anzahl, in einer verhältnismäßig zu kleinen Pfütze, die noch dazu sicher keine drei oder vier Tage der Sonne Stand hielt, wenn diese – demnächst – ordentlich brezelte … ?!
Ooch nö, Sandra, was spielt sich denn jetzt schon wieder in deinem Kopf ab?! *augen verdreh*
Ich wusste noch nicht genau, Was ich Wie machen konnte (oder durfte), aber mir war zumindest klar, dass ich hier etwas tun musste!
Ihr könnt ja spaßeshalber mal versuchen, die Kaulquappen auf diesem Bild zu zählen, das Ergebnis mit (Pi mal Daumen, geteilt durch Auge) Sechs multiplizieren, dann bekommt ihr eine ungefähre Vorstellung davon, wie viele Tiere sich in dieser Pfütze befanden.
Kaulquappen – Wasser – „retten“ – Unterbringung? – Aquarium!
So in Etwa, überschlugen sich meine Gedanken und im nächsten Moment ging ich erst gedanklich, dann per Handy meinen Bekanntenkreis durch, wer darunter Aquarianer ist und mir vielleicht leihweise ein Wasserbecken überlassen könnte.
Mit Hilfe einer Sitting-Kundin wurde auch eine etwaige Lösung gefunden, für den Fall, dass ich wirklich aktiv werden würde / könnte. Aber zuerst drehte ich mit meinem Fell noch unsere Runde zu Ende, denn das hatte trotz allem doch Vorrang.
Wieder zuhause, befragte ich das www-Orakel, bis ich schließlich auf bodenseekreis.de Kontaktmöglichkeiten zu Naturschutzbeauftragten fand. – Doch leider war niemand im Hegau gelistet und von den sieben genannten Personen, hatte nur eine statt eMail die Telefonnummer angegeben.
Mit lange eMail schreiben und auf Antwort warten (Hallo, Feiertag!) wollte ich mich diesmal nicht aufhalten, sodass ich bei der Nummer anrief und tatsächlich auch jemanden erreichte.
Dieses Bild zeigt es recht deutlich: Nicht nur Wetterbedingungen und Fressfeinde, auch Waldarbeitsmaschinen können dem Amphibienbestand gefährlich werden. Der eine Trecker ließ ein Becken entstehen, der Nächste macht es höchstwahrscheinlich (mit den Tieren!) wieder platt.
Ich stellte mich dem Herrn vor, schilderte ihm die Lage und fragte, ob ich (als kleine Privatperson) in so einem Fall selbst – und vor allem gleich – tätig werden dürfte, da es ja an allen Ecken und Enden immer heißt: Heimische Wildtiere stehen unter strengem Artenschutz und dürfen nicht einfach so aus ihrem Lebensraum genommen werden!
Das Ergebnis dieses Gesprächs zusammengefasst: Wenn den Tieren durch den sinnvollen und zweckmäßigen Eingriff des Menschen keine (weiteren) Nachteile entstehen, sondern grundlegende Verbesserungen für sie eintreten, ist das “höchstentwickelte Lebewesen” geradezu zum Handeln verpflichtet!
Bild: Als ich diese Gruppe in Einem aus der Pfütze fischte, hatte ich bereits 100 Tiere in die Faunabox gesetzt und danach aufgehört zu zählen.
Meine Überlegung mit dem Aquarium wurde seitens des Herren durch die Frage nach einem sicheren Gewässer in meiner Nähe – glücklicherweise – eliminiert. Ich hatte mich schon wochenlang Kaulquappen in der Wohnung stehen haben, täglich Jagd nach Wasserläufern, Algen, später Fliegen, Mücken etc. machend gesehen, auf den richtigen Zeitpunkt wartend, sie wieder auswildern zu können.
Durch mein Dorf fließt ja ein Bach, verläuft weiter unten in den Wald und hat an einigen Stellen ruhige Ecken! Eine genial-optimale Lösung!
Statt die Kaulquappen in meine Obhut zu nehmen, war ihnen demnach vielmehr damit geholfen, sie umzusiedeln.
Vor allem, welcher Art auch immer diese Larven waren … Wie sollte ich mehrere Hundert – oder zumindest einen vielleicht beachtlichen Teil davon – über einen längeren, unbekannten Zeitraum annähernd tiergerecht unterbringen und versorgen?? Die befinden sich doch Alle im Wachstum, in der Metamorphose.
Ich machte mich also, mit meiner größten, flachen Faunabox und einer kleinen Vorratsdose mit geradem Rand „bewaffnet“ – ohne mein Fell! – wieder auf dem Weg in den Wald, fuhr – der Zweck heiligt die Mittel… – mit dem Auto sogar bis an die Stelle ran und begann, die Tiere aus der Pfütze zu fischen.
Ich gebe zu: ein bißchen Schiss hatte ich schon, falls ein „Waldoberer“ gekommen wäre. Zeitgleich ermutigte und motivierte ich mich allerdings damit, dass wenn jemand vorbei gekommen wäre und „Zicken“ gemacht hätte, ich bereits auf den Lippen hatte: Labern kann jeder, helfen wäre nicht schlecht!
Etwa eine geschlagene Stunde saß ich teils kniend, teils hockend entlang der Pfütze und versuchte die Kaulquappen zu fangen, was mir im Großen und Ganzen zwar recht gut gelang – aber das waren sooooooo viele, unglaublich! Das konnte ich alleine gar nicht in einem überschaubaren Zeit- und Wetterrahmen schaffen, sodass ich bei (schätzungsweise) 300 Tieren – für Heute – aufhörte.
Im Allgemeinen gefiel mir meine kleine, mal wieder privat initiierte Tier- und Naturschutzaktion, jedoch der Einfall die Faunabox als Transportgefäß zu verwenden, war eine Scheißidee! Das nächste Mal nehme ich wirklich lieber einen Eimer mit.
Trotz, dass ich auf einen möglichst niedrigen Stand in der Box geachtet hatte, schwappte das Wasser beim Befahren, genauer gesagt beim Beschleichen der holprigen Waldwege durch die Lüftungsschlitze und flutete den Autositz! – Was man für „Viechzeug“ nicht alles in Kauf nimmt…! *augen verdreh*
Aus meiner Richtung kommend, konnte ich nicht gleich in den anderen Weg einbiegen, sondern musste den Berg erst mal komplett runter, unten wenden und wieder ein Stück hochfahren, um auf die andere Rüttelstrecke zu gelangen.
Diese fuhr ich allerdings nicht bis zum Schluss, sprich bis zu jener Stelle, die ich zum Umsetzen der Kaulquappen auserkoren hatte (*besser war das…*), wodurch ich die befüllte, überschwappende Faunabox noch einen guten Kilometer weit, entlang unbefestigter, zerfurchter Wege tragen musste.
Ursprünglich hatte ich den Platz bei „unserem“ Wasserfall mit seinen vielen kleinen, ruhigen Becken für die Quappen gewählt. Auf dem Weg dorthin fiel mir jedoch ein, dass dort Feuersalamanderlarven ihre „Kindheit“ verbringen, weshalb ich die Übersiedlung von den Was-auch-immer-Kaulquappen dorthin für doch nicht ganz so angebracht hielt.
Vermutlich meldete sich sowas wie der logische Menschenverstand, der zu bedenken gab, dass die Larven der einen Art unter Umständen die (kleineren) Larven der anderen Art auffressen und ich wäre ja geradezu mit einem Silbertablett voll Futter gekommen.
Nun, aber wie gesagt: diese Gegend hielt mehr als genug passende Stellen bereit – die Faunabox wurde mit der Zeit nicht nur schwer, sondern ich auch nass – und ich entschied mich für ein teichähnliches Waldbecken, mit ruhigem Wasserfluss.
Hier konnten sich die Quappen zumindest insofern gefahrlos entwickeln, als dass kein Wassermangel irgendwann zu fürchten war. – Irgendwann vielleicht auftauchende Fressfeinde und sonstige Naturgegebenheiten lassen wir mal außer Acht, denn das ist dann wirklich der Lauf des Lebens.
Nach einer kurzen Verschnaufpause setzte ich die Faunabox ins Wasser und kippte die „geretteten“ Amphibienlarven in ihr neues „Kinderzimmer“.
Sicher, es würde mich brennend interessieren, welche Art ich hier in einer ersten Aktion umgesetzt habe. Sind es Frösche, Kröten oder Molche?
Wer weiß, vielleicht sind es Jungtiere einer bedrohten Amphibienart, die durch meine Aktion (raus aus der verdunstungsgefährdeten, für Alle viel zu kleinen Pfütze, rein in stabiles, großzügiges Gewässer) etwas mehr Entwicklungs- sowie Überlebenschance erhielten?!
Ich habe mir, zugegebener Maßen, auch für einen Moment die Option offen gehalten, ein paar Exemplare „einzubehalten“, um sie zuhause weiterführend beobachten zu können, doch letztendlich siegte dann nicht nur mein Tier- und Naturschutzverstand, sondern auch die Einsicht, dass mir mein Alltag schon jetzt kaum noch Zeit für Eigenes ließ.
Aufrichtige, ernst zu nehmende Hilfe Tieren gegenüber ist (meiner Meinung nach) nur dann gegeben, wenn sie gänzlich uneigennützig, ohne jegliche Befriedigung menschlicher Egozentrik und im Rahmen / Lebensraum des Tieres stattfindet bzw. bleibt.
Ich weiß ja, wo ich die Tiere finden könnte, um sie zu beobachten und wo noch welche sind, deren Lebensumstände ich in den nächsten Wochen sicher etwas im Auge behalten werde, um ggf. noch einmal einzugreifen.
Vielleicht gesellt sich bis dahin auch noch Jemand dazu, um mich zu unterstützen *?!*, weil alleine ist so eine Aktion echt kein Zuckerschlecken, auch wenn sie sich vielleicht soooo engagiert und toll liest.
*in diesem Sinn*
eure Sandra
Weitere Informationen zu heimischen Amphibien und Kaulquappen findet ihr hier:
Amphibienschutz im Bodenseekreis
Froschnetz Schweiz – Frösche, Kröten, Molche
Und für den Fall, dass ihr taggleich nicht so schnell reagieren könnt wie ich oder eure experimentierfreudigen Kids vom Ausflug (zum ersten und / oder hoffentlich letzten Mal!) ein paar Exemplare mitbringen:
NOTFALL-Anleitung: Kaulquappenaufzucht in Gefangenschaft
Nachtrag: Es fand sich eine Hilfe, einen Tag später weitere Kaulquappen – mit Eimer – aus der Pfütze zu holen, doch in Zukunft werde ich derartige Aktionen wohl doch lieber wieder alleine machen, auch wenn dann weniger geschafft werden kann…
Im Ergebnis dürfte es aufs Gleiche raus gekommen sein, ob man alleine werkelt oder eine erwachsene, „gut gemeinte“ Unterstützung hat, die gummibestiefelt IN der Pfütze rumtappt, um die Kaulquappen „besser“ zu erwischen und sie dabei eher zertritt. * augen verdreh *