Donnerstag, Dezember 5
Shadow

Der Feind in meinem Körper (Tumorentfernung und Brust-OP)

Rückwirkend betrachtet haben es die Biopsien wohl schon angekündigt / angedeutet: einfach würde es uns der Tumor nicht machen.

So wenig verwertbares Material die Doc im März rausgestanzt bekam, so wenig war er im Lauf der ersten Chemostrecke bereit, seine Größe sowie seinen Zustand zu unseren bzw. meinen Gunsten zu verändern.

Hin und wieder nagte und kratzte es buchstäblich in mir, dass man meinen konnte, Grzimeks Steinbeißer und die Fraggles klärten gerade Territorialfragen. Streckenweise gab es große Spannungen und hitzige Diskussionen unter der Haut, die sich mitunter als rötlicher, heißer Fleck sogar an der Oberfläche zeigten. Doch Alles in Allem tat sich … Nichts!

Nach drei Monaten Chemo unter AC (Adriamycin, Cyclophosphamid) brüstete sich Kollege Tumor immer noch mit seiner Standhaftigkeit. („Männer“!)

Geschlaucht vom Wechselbad der Körperlichkeiten, noch genervter als ohnehin schon, dass sich bei all den bisherigen Strapazen nichts Verwertbares getan hatte, disponierten meine Docs und ich um und bereiteten die vorgezogene OP vor.

Die Zeit zwischen der letzten AC am 31. Mai und dem Check-In ins Krankenhaus am 5. Juli ließ mir neben wieder aufrappeln (vier Tage hatte mich zudem Fatigue im Griff) genug Zeit, mich mit dem nächsten Kapitel von ‚Braucht kein Mensch‘ zu befassen: Tumorentfernung und Brust-OP.

Für diejenigen, die sich fragen, wann die Haare wieder zu wachsen anfingen: Bereits kurz vor der vierten und letzten AC-Chemo Ende Mai stoppelte es auf meinem Kopf, womit nur etwa sechs Wochen oben ohne zu Ende ging. Kurz darauf stellte ich das Mütze tragen komplett ein.

Grundsätzlich gibt es nur zwei operative Argumente im Kampf gegen Krebs: Brust bleibt dran oder Brust kommt ab.

Welche Option für welche Patientin die Passende ist, lässt sich wiederum nicht so einfach bestimmen, da geht dann das große Faktoren selektieren los:

  • Wie alt / jung ist die Patientin?
  • Welchen Bezug hat sie zu ihrem eigenen Körper?
  • Kann sie unter Umständen mit der Brustamputation leben?
  • Wie ist die allgemeine körperliche, seelische Verfassung der Patientin?
  • Kann aufgrund der Größe von Brust und Tumor überhaupt Brust erhaltend operiert werden?
  • Welche Möglichkeiten eines Wiederaufbaus der Brust kommt wann nach der Tumor-OP in Frage?
  • Wie stark ist der Einfluss, der Gesellschaft „gefallen“ / „gerecht“ werden zu müssen oder wollen?
  • Wie sehen die aktuellen und absehbaren Lebensumstände (Familie, Arbeit, Zukunftspläne etc.) der Patientin aus?

Sicher stellen sich von Fall zu Fall noch ganz andere Fragen, auf die es Antworten zu finden gilt.

Bei mir sah es folgendermaßen aus:

Obwohl der Tumor sich weigerte, uns entgegen zu kommen, war er immer noch „klein“ genug, die OP brusterhaltend durch zu führen. Da ich mich schon vor langer Zeit für das ruhigere, Nerven schonende Singleleben und gegen Kinder entschieden hatte (und nicht die geringsten Ambitionen verspür(t)e, es in diesem Leben noch zu ändern), die Gesellschaft in Sachen Körperkult und Trendsdiktatur mich kreuzweise kann, betrachtete ich – zumindest im ersten Gedanken – unterschiedlich große Brüste im Tausch gegen Gesundheit und Leben als das geringste Übel.

Weiter und tiefergehend informiert stand schließlich zur Auswahl:

  • Tumor aus rechter Brust entfernen, wodurch diese verkleinert wird, linke Brust belassen.
  • Tumor aus rechter Brust entfernen, linke Brust durch Reduktion angleichen.
  • Rechte Brust gleich in der OP oder später mit Eigenfett aus dem Bauch auffüllen.
  • Rechte Brust gleich in der OP oder später mit Silikonkissen auffüllen.

 

Die Option Tumor raus, links angleichen ergab für alle Beteiligten – primär natürlich für mich – die meisten Vorteile:

  • Ich bekomme zwei OP’s in der Zeit und mit Aufwand von Einer.
  • In der Regel werden keine weiteren OP’s mehr notwendig, wie bspw. beim nachträglichen Ein- oder Ersetzen von Eigenfett oder Silikonkissen. Ich würde also irgendwann später, gerade wieder zurück im Arbeitsleben, nicht wieder wochenlang ausfallen (müssen).
  • Durch Entfernung von Brustdrüsen und Gewebe aus der linken Brust, wird das Risiko, irgendwann auch links an Krebs zu erkranken deutlich minimiert.
  • Bei Verpflanzung von Bauchfett würde mindestens ein Bauchmuskel mit dran glauben müssen, was mir unter Umständen bei späteren körperlichen Arbeiten zum Verhängnis werden könnte. (Da bin ich dann als Allgäuer ganz Schwabe: Des spare‘ mer uns!)
  • Silikonkissen sind nicht nur unnatürliche Fremdkörper, sie vertragen mitunter auch nicht die an die Chemos anschließende Bestrahlung, sodass sie entweder wirklich erst irgendwann nach Abschluss der Bestrahlung eingesetzt oder hinterher, weil angegriffen, ausgetauscht werden müssen.

 

Nach Aussage der Docs verlief die OP ohne jede Komplikationen und dauerte etwa eineinhalb Stunden. Besch….eiden wurde es kurzzeitig beim Aufwachen und im Umgang mit den beidseitig angebrachten Drainagen, wodurch mir drei Tage nur Rückenlage oder Sitzen möglich war; die Wundschmerzen mal nicht zu verschweigen.

Liebe Frauen, die ihr ohne jede wirklich medizinische Notwendigkeit an Euch rumschnippeln lasst, um einem krankhaften Schönheitsideal, einem trendigen Tick oder purer Selbsttäuschung nachzujagen …. Was stimmt nicht mit Euch? Wie kann man sich dieser Tortur just for fun, um wem auch immer „gerecht“ zu werden oder „zu gefallen“, freiwillig aussetzen?!

Wer sich einer Tumorentfernung unterzogen hat, ist (vermutlich) froh, wenn Alles einfach nur gut gegangen und vorbei ist. – Aus dem Körper, bald auch aus dem Sinn. Nun ja, was soll ich sagen … *lächel* Nicht so ich!

Durch einen ganz besonderen, geschätzten Kontakt war es mir möglich, mich nicht nur äußerlich und theoretisch mit (m)einem Krebstumor zu beschäftigen, sondern mich mit ihm – oder sollte ich vielleicht treffender sagen: ihn mit mir (?!) – zu konfrontieren.

An dieser Stelle meinen herzlichsten Dank, Herr Professor, dass Sie mir diese (hoffentlich) einmalige Chance ermöglichten!

Wenige Tage nach meiner OP, wieder fit zu Fuß, war es mir vergönnt, die letzte Scheibe meines gut Golfball großen, verkapselten Krebses anzusehen und ich muss sagen: höchst interessant, wozu der menschliche Körper so Alles fähig ist!

So, an dieser Stelle möchte ich alle „sanften Gemüter“ darauf hinweisen, dass nun zwar keine Originalbilder, sondern abstrakt gehaltene Beschreibungen und Zeichnungen folgen, die per Kopfkino dennoch für Verstörung sorgen könnten. Es gilt prinzipiell, an dieser Stelle allerdings ganz besonders: Weiterlesen auf eigene psychische und mentale Gefahr!

Nachdem die Docs und ich die besseren Argumente und Kollege Tumor seines Platzes verwiesen hatten, sah ich auf das letztes Stück eines weiteren, dieses Mal sehr speziellen Lebensabschnittsgefährten:

Er ähnelte einer quer geschnittenen Scheibe aus der dicksten Stelle einer Zucchini, die durch Verfaulen langsam verschrumpelte. Ziemlich mittig befand sich ein knorpelähnlich aussehender Ring (die Verkapselung, die kaum Biopsiematerial frei gab) mit leichten Spitzen. Die Substanz in diesem Ring ähnelte in Konsistenz und Farbe Grießklösschen, auf den ganzen Raum verteilt wie hinein gematscht. – Wer jetzt nicht differenzieren kann, bekommt für die Zukunft mitunter ein Zucchini-Grießklösschen-Problem … Mein Bekannter musste bei dieser Beschreibung gut lachen und ich finde sie auch immer noch witzig. Treffender geht’s wirklich nicht.

Neben vereinzelten, minimalen schwarzen Punkten innerhalb des Tumorbereichs war in der Grießklösschenmasse eine etwas größere, dunkle Stelle (wie ein kleiner Lagerfeuerplatz) zu erkennen. Dort schien die AC-Chemo zumindest ein wenig angesetzt zu haben.

Tumore die als ganzes Stück entfernt werden, nennt man Resiktat. Mit dem Tumor wird eine so genannte Sicherheitszone entfernt. Hierin lässt sich untersuchen, ob das Fettgewebe drum herum „sauber“ ist.

Zur genauen Untersuchung wird erst der Tumor, später seine Proben in Formalin eingelegt, um sie zu konservieren und die Beschaffenheit bis zu den einzelnen Schritten der pathologischen Untersuchung zu bewahren. Um die teilweise sehr kleinen Gewebeproben besser bearbeiten zu können, erhält der Tumor eine Ummantelung aus Parafin, wodurch ein gut zu handhabender Block entsteht, der scheibchenweise in die ewigen Wissenschaftsgründe verabschiedet wird.

Zur seitlichen Orientierung am Tumor werden einige Seiten eingefärbt. Bei meinem Merkel bedeutete das: Blau – unten, Rot – oben, Schwarz – links.

Dass die Planänderung keinen Moment zu früh kam, zeigte sich daran, dass der Tumor letztendlich doch aggressiver war, als es nach den Biopsien und den Untersuchungen im März schien.

Von den drei Stärkegraden (G1 – G3) galt meiner von Anfang als G3, seine Verbreitungspotenz wurde auf etwa 30% ermittelt. Nach den März-Untersuchungen lagen wir schon bei 30%-40% und als er nun schließlich draußen war, man ihn sich in seiner ganzen Pracht zur Brust nehmen konnte (nettes Wortspiel), wurde sein endgültiges Potential zur Aggression auf 60% festgelegt! Fachlich korrekt heißt es Zellteilungsfrequenz.

Mein Denken wurde seitens der Ärzte bestätigt: ich kann wirklich von Schwein gehabt! reden, dass sich um das Teil eine Art Kapsel gebildet hatte, es für Tumorverhältnisse sehr klar definiert war und von insgesamt 18 entnommenen Lymphknoten nur Drei im Mikrobereich befallen waren. Einer kapselübergreifend, Zwei kapselintern.

Für den Fall, dass sich nun doch Einige von Euch fragen sollte, wie so ein Tumor aussehen kann, so werde ich Euch an dieser Stelle etwas enttäuschen müssen. Ich habe meinem Bekannten versprochen, die Originalbilder nur privat zu nutzen und nicht ins Internet zu stellen – und eine Zeller hält ihr Wort.

Nichts desto trotz, ich bin ja pfiffig und fand eine,wie ich finde, ziemlich originell-individuelle Möglichkeit, Euch meinen Merkel als eine Art Schema darzustellen. – Bitte schön:

*in diesem Sinn*
Eure Sandra

2 Comments

  • Ein Tumor wurde bei meiner Busenfreundin dank Mammographie Screening festgestellt. Gottseidank, dass der an den Anfangsphasen ist. Eine richtige präzise Untersuchung kann ja rechtzeitig zu Hilfe kommen. Die Hoffnung geben wir nicht auf. Aus dem Körper, bald auch aus dem Sinn!

    • Die Zeller

      Guten Morgen Helga,
      so unangenehm Mammografie ist, so wichtig ist sie auch – freut mich sehr, dass man ihn so frühzeitig entdeckt hat!
      Ich wünsche Dir und vorallem natürlich Deiner Freundin alles Gute und, dass es so ausgeht, wie Ihr es Euch wünscht.
      Alles Liebe, Sandra

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