Besondere Menschen verdienen besondere Geschenke. – Ich wusste gar nicht, dass ich so „besonders“ bin, einen Tag vor meinem 46. die offizielle Bestätigung zu erhalten: der Krebs ist zurück und hat sogar „Freunde“ mitgebracht!
Euch kommt dies nun vielleicht grausam vor: Wie können die Ärzte nur einen Tag vor dem Geburtstag damit rausrücken? – Weil ich es so wollte!
Mit der letzten Bestrahlung am Freitag, 29.12.17 endete offiziell mein – erster – aktiver Kampf gegen triplenegativen Brustkrebs und galt als geheilt.
An das engmaschig angelegte Nach- und Vorsorgenetz gewöhnte ich mich rasch: alle drei Monate bei meiner Gyn vorbei, ein Mal im Jahr Check im Krankenhaus, ein Mal im Jahr Mammografie, ein Mal im Jahr Brust-MRT und sobald mir sonst irgendein „Furz“ quer stand, bekam ich ohne jede Diskussion die entsprechende Untersuchung. Immer war alles ok, keine negativen Befunde.
Bis kurz vor Ende August diesen Jahres. 966 Tage bzw. 2 Jahre, 7 Monate, 23 Tage nach der letzten Bestrahlung:
In einer Routinekontrolluntersuchung fielen meiner Gyn das erste Mal vergrößerte Lymphknoten im Achselbereich auf.
Fürs Erste wirklich kein Grund zur Beunruhigung! Lymphknoten verändern sich in der Größe, sobald der Körper gegen eine Krankheit antreten muss. Einfachstes Beispiel: die vergrößerten, damit spür- und fühlbaren Lymphknoten seitlich am Hals bei einer Erkältung.
Wir beschlossen, diese Veränderung in vierwöchigem Terminabstand zu beobachten.
Weil mir damit genau genommen „ein Furz quer stand“, erhielt ich, zur allgemeinen Abklärung, Mitte Oktober eine Skelettszintigrafie, auch Knochenszintigrafie genannt.
(Infos: https://de.wikipedia.org/wiki/Skelettszintigrafie und: https://www.krebsinformationsdienst.de/untersuchung/bildgebung/szintigraphie-onkologie.php)
Dieses brachte allerdings nur zu Tage, warum mir seit Wochen die Schultern zunehmend weh taten: Arthrose!
Gegen Mitte November, ein weiterer Kontrolltermin: die Lymphknoten hatten sich nicht verändert, besaßen (bis auf ihre Größe) weiterhin keinerlei auffällige Struktur, beratschlagte sich meine Gyn mit ihrer Kollegin und empfahl mir draufhin beim Brustzentrum eine Stanzbiopsie machen zu lassen. – Donnerstag: Gyn-Termin, Montag drauf: Brustzentrum.
Beim Ultraschall im Brustzentrum kamen Lymphknotenformen zum Vorschein, die selbst mich wieder in Erstauen versetzten. Dennoch: alles strukturiert, nichts verfranst, einfach nur größer.
Mein Doc im Zentrum meinte, es gäbe drei Optionen: rezidiv (Krebs wieder da), reaktiv (Körper kämpft gegen irgendeine -leichte- Krankheit) oder etwas gänzlich Neues.
Am Freitag, einen Tag vor meinem Geburtstag, erhielt ich schließlich den Anruf, am folgenden Montag zur Befundbesprechung zu kommen. – Wie dieser ausgefallen sei, konnten (und durften) mir die Mädels nicht sagen; mein Arzt war nicht im Haus und auch sonst sei gerade kein Arzt greifbar.
Wer mich „kennt“, sei es persönlich oder über den Blog, weiß, dass ich mich – Geburtstag hin oder her – nicht so einfach abspeisen lasse!
Nachdem selbst meine Hausarztpraxis keine Auskunft bekam, wandte ich mich an meine Gyn-Praxis und siehe da: meine Gyn meldete sich bei mir zurück, dass rechts tatsächlich wieder aktive Krebszellen von 2017 gefunden wurden und leider gibt es Metastasen auf der linken Seite! – Mehr wollte ich fürs Erste doch gar nicht. Dass sich etwas in diese Richtung erneut entwickelt hat, wurde zudem durch den diesmal vorhandenen, erhöhten Turmormarker im Blutbild unterstrichen.
Bis hierher, dürften sich die obigen Zeilen „gewohnt“ pragmatisch und abgeklärt lesen.
Doch ich kann Euch sagen: dieses Mal kam ich mit dem Befund nicht so gut zurecht, wie vor drei Jahren…
Mit Entlassung aus der Reha gegen Ende März 2018, drei beruflichen Klo-Griffe in Folge, bis ich September 2019 endlich festen Boden unter die Füße bekam, mich dadurch finanziell erholen konnte und schließlich sogar noch in einem alten Kollegen eine neue Liebe fand … all das sah ich ernsthaft in Gefahr.
Krebs ist nicht ein Arschloch, Krebs ist DAS Arschloch!
Unabhängig voneinander, von zwei sehr guten Freundinnen darauf aufmerksam gemacht und skuril fand ich zudem die Tatsache: drei Wochen, nachdem ich offiziell mit meinem Partner zusammen kam und drei Wochen bevor die vergrößerten Lymphknoten entdeckt wurden, bat mich mein betagtes Haustier, es gehen zu lassen. – Ich schien ihm wohl sehr gut aufgehoben, für das Bevorstehende…
Nichts desto trotz: ohne Angst vor dem Krebs an sich, fuhren meine Gedanken in Bezug auf erneut in die Bedürftigkeit zu rutschen, dieses Mal nicht als Sieger hervor zu gehen und Verlust meines Partners aufgrund der kommenden Belastung 10er-Looping in Dauerschleife. Ich hatte extremste Probleme, auch nur ansatzweise positiv zu bleiben.
Mein Nervenkostüm war dünner als ein Spinnennetz und statt „nah am Wasser gebaut“ zu sein, kam ich mir vor wie ein Fisch: fürs Wasser gemacht. Egal, was ich tat, wo ich war, bei wem ich war, auch während einfachen Gesprächen: von einem Moment auf den anderen übermannten mich „aus dem Nichts heraus“ Angst, Wut und Verzweiflung. Das Gedankenkarusell konnte ich nicht steuern, so schnell wie ich in Tränen ausbrach, so schnell brachte ich mich dafür wieder unter Kontrolle. – Total spooky.
Weiter geht’s, 30.12.20:
Obwohl ich im Rahmen der Krebs-Systematik mit dem Rückschlag nun als unheilbar krank gelte, die zweite Therapie auf begleitend (palliativ), nicht mehr heilend (kurativ) ausgerichtet ist, war für mich trotzdem alles gut, als ich vor zwei Wochen endlich (wieder) meinem Chemo-Doc gegenüber saß.
Für meinen Fall gibt es zwar wieder nur die Chemo-Option, dieses Mal allerdings als Dauertherapie (sprich: open end) und zwei mögliche Varianten:
1.) Mit Zyostatika aus dem Bereich der Taxole wie 2017 zuzüglich einem weiterem Medikament, welches sich vor allem gegen Lunge-, Haut- und Nierenkrebs bewährt hat und nur in Kombination mit den Mitteln von 2017 gegeben werden kann. (Sorry, die Namen sind so unaussprechlich, dass man sie sich nicht mal merken kann.)
Nachteile, neben den üblichen Nebenwirkungen:
– Wieder Haarverlust,
– wieder bzw. weitere neurologische Störungen in den Finger- sowie Zehenspitzen (aufgrund dessen als Dauertherapie nicht empfehlenswert),
– Krebszellen könnten sich an die „bekannten“ Mittel „gewöhnt“ haben.
Um dieses „Chemo-Modell“ zu erhalten, muss der so genannte PD-L1 Wert aus vorliegendem Stanzmaterial ermittelt werden: liegt er über 1% würde die Wahl auf Variante 1.) fallen. Liegt er unter 1%, geht’s nur mit der 2. Möglichkeit:
2.) Antikörpertherapie, aufgrund eines diesmal vorliegenden Hormonrezeptors in der linken Brust, bestehend aus Tabletten und zwei Infusionsmittel.
Vorteile:
– Alle Mittel sind für aktuelle Krebszellen unbekannt, können dadurch besser angreifen.
– Kann aufgrund der verhältnismäßig gut verträglichen Wirkstoffe als Dauertherapie (u.U. über Jahre) gegeben werden.
Nachteil, neben den üblichen Nebenwirkungen:
– Füße und Hände können Hornhaut entwickeln bzw. so rau werden, dass die Haut rissig wird. (Bereits mit Beginn der Chemo Hände und Füße regelmäßig mit unparfürmierter, fetthaltiger Hautcreme, Melkfett oder Vaseline einreiben.)
Wenige Tage nach der Erstbesprechung lag das Ergebnis der benötigten Untersuchung vor: mein PD-L1 Wert lag bei 0%. Damit kam für mich die Chemo-Variante 2.) in Frage. Dies kam auch mir sehr entgegen: Mit Haarverlust hätte ich zwar wieder leben können, auf erneute bzw. erweiterte neurologische Störungen hatte ich allerdings so gar keine Meinung!
Aufgrund der Weihnachtsfeiertage sowie des Jahreswechsels takteten wir die Chemo wie folgt: wir beginnen mit den Tabletten sofort und nehmen die Infusionen im neuen Jahr dazu. Die ersten zwei „Suppen“ erhalte ich im Abstand von einer Woche, die Weiteren alle drei Wochen.
Eine Woche nach der Erstbesprechung begann ich mit Einnahme der Tabletten: zwei Wochen lang 3 morgens, 3 abends (davor immer was essen! Na prima, ich und immer frühstücken… Das konnte heiter werden.), dann eine Woche Pause und wieder zwei Wochen 3 – 0 – 3, eine Woche Pause usw.
Erste Nebenwirkungen bereits in der ersten Woche? Müdigkeit, leichte, unterschwellige Kopfschmerzen, Lustlosigkeit, Abgeschlagenheit, Arm / Hand rechts auffallend geschwollen, mit leichtem, dennoch unangenehmen Druckschmerz.
Fast eine Woche nach den ersten Tabletten hatte ich einen wirklich heftigen, mentalen Einbruch: Über Weihnachten war ich bei meinem Partner, alles gut, echt schön, so angenehm wie schon eine Ewigkeit nicht mehr. Allerdings fühlte ich mich Samstag Abend nach Weihnachten sehr niedergeschlagen, ging wortlos schon früh zu Bett, sah vom Bett aus fern. Dass er im Wohnzimmer blieb und noch seine Sendung zu Ende sah, setzte mein Gedankenkarussell in Gang, welches mich mich irgendwann fragen ließ: Wofür soll ich dieses Mal eigentlich kämpfen? Ich verrannte mich in diese Spirale dermaßen, dass ich gegen Mitternacht (mein Bester war zwischenzeitlich auch im Bett, wir redeten allerdings nicht miteinander) aufstand und zum mich wieder fangen ins Wohnzimmer schlich. – Ein Höllenritt, sag ich Euch!
Es dauerte nicht lange, bis meine bessere Hälfte neben mir saß. Ich konnte lange nicht aufhören zu heulen. Als ich wieder einigermaßen Stimme hatte, erzählte ich ihm so gut wie möglich, was in mir vorging. – Ihn dürfte es (unbeabsichtigt) sehr getroffen haben, dass ich ihn bzw. uns nicht als Grund zum Kämpfen angesehen hatte. Nichts desto trotz, rechne ich ihm seine Aufmerksamkeit und Zuhören sehr hoch an! Etwa eine Stunde nachdem ich aufgestanden war, gingen wir wieder ins Bett und ich konnte sogar schlafen.
Um einen weiteren mentalen Einbruch dieser „Güteklasse“ zu verhindern, nahm ich an diesem Tag einen dritten Psycho-Drop; es half nicht sonderlich: als ich alleine unterwegs war, liefen die Tränen wieder und ich hatte erneut erhebliche Schwierigkeiten, mich in den Griff zu kriegen. – Scheiß Spiel!