Nirgends strapaziert sich der Mensch so sehr, wie bei der Jagd nach Erholung.
(Laurence Sterne, 1713 – 1768, engl. Domherr & Schriftsteller)

Im öffentlichen Amtsblatt Hallo Radolfzell vom 09.09.21 rühmen sich die derzeit Verantwortlichen der Großen Kreisstadt am Bodensee mit roundabout 1.400 ha städtischer Waldflächen der größte, kommunale Waldbesitzer im Landkreis Konstanz zu sein.
Desweiteren wird darauf verwiesen, wie wichtig es doch sei, diesen nicht nur nachhaltig zu hegen *hüstel*, sondern auch naturnah zu pflegen *räusper* , um ihn stabil zu halten, damit in Zukunft Niemand (weder die Natur selbst, noch die Gesellschaft) auf natürlich geschaffene Funktionalität und zugleich Erholungsoasen verzichten muss. *brechreiz*
Diese – nach außen gespielte – Naturverbundenheit endet allerdings, sobald – hinter verschlossenen Türen gemachte – Abreden Geist und Sicht durch Raffsucht, Image-Theater und last-but-not-least: Währungssymbole endgültig vernebeln.

Eine andere Erklärung gibt es meiner Meinung nach nicht, sobald man über diesen (mit Verlaub / auf gut Deutsch / politisch sowas von inkorrekt) Hirnfick um die geplante Hotelerweiterung Herzen nicht nur anfängt, sich eigene Gedanken zu machen, sondern sich auch die Planungsunterlagen (soweit einsehbar), dokumentierte Reden, inkl. (hohle) Versprechungen etc. pp., zu Gemüte führt.
Warum ich mich nun doch noch mit dem Streuhau-Thema beschäftige, statt mich weiterhin weitestgehend von der Gesellschaft fern und damit vom Alltagsgeschehen ausgeklinkt zu halten? Warum ich mich nicht weiter voll und ganz auf die zweite Runde meines Kampfes gegen zurückgekehrten, metastasierten Brustkrebs konzentriere?

Zum Ersten, ging ich Anfang September, nach langer Zeit, mal wieder im Stadtwald beim Altbohl spazieren und war schockiert, als ich im Verlauf eines gut bekannten Weges auf ein einziges Schlachtfeld traf: ein von schweren Maschinen verursachter Morastpfad, welcher sich nur mit viel logischem Denken sowie artistischem Know-How bewältigen ließ; möchte man nicht alles wieder zurückgehen und auf einem anderen Weg von vorne beginnen.

Auf Nachfrage beim zuständigen Förster erfuhr ich, dass man aufgrund des Borkenkäferbefalls dringend handeln musste und leider keine Rücksicht auf den damals nassen Waldboden nehmen konnte. Diesen Herbst (2021!) wolle man jedoch abermals rein und die Schäden beseitigen, damit der Wald wieder in Gänze das wird, was er sein soll: ein wertvolles, natürliches Naherholungsgebiet, das es zu schätzen und schützen gilt!
Prompt erinnerte ich mich an den aktuellen Disput um irgendein Gebiet in Radolfzell, bei dem es um gravierende Naturzerstörung gehen soll, der sehr viele Gemüter sehr hoch kochen ließ. Ich kramte gesammelte Artikel hierüber hervor und nahm Kontakt zu der Dame auf, die ich 2018 im Rahmen des Erhaltungskampfes um den >> Markelfinger Buckel kennenlernen durfte. Meiner Bitte, ob sie mir eventuell eine kleine Privatführung zur Sache geben sowie ein paar Fragen beantworten würde, kam sie gerne nach.

Zum Zweiten, hat jegliche Politik der „Guten“, „Etablierten“ und „Traditionellen“ sowie jede Form des Lobbyismus‘, deren Mitschwimmer nicht nachhaken, sondern einfach nur, schon mal Hände aufhaltend, abnicken, für mich persönlich eine nicht zu leugnende Ähnlichkeit mit der Entwicklung sowie dem Verhalten von … Krebszellen!
Selbstherrliche, kleine, garstige Mistdinger, die sich weigern, ihre natürliche Grenze (programmierter Zelltod) zu akzeptieren und schließlich als lebensbedrohliche, unberechenbare Mutanten die Existenz Anderer in tödliche Gefahr bringen. Die Akzeptanz des programmierten Zelltods steht an dieser Stelle für die Gesetze, die – eigentlich – für Alle gelten, jedoch durch entsprechende Rechtsbrechung und / oder Rechtsbiegung außer Kraft genommen werden (könnten).

Als „Zua’groaste“, finde ich meine Metapher besonders anschaulich am Beispiel des zu Recht höchst umstrittenen Projekts Hotelerweiterung Herzen, welche – trotz allem Leugnens – die totale, durch keine Maßnahme des Universums wieder gut zu machende Zerstörung des Streuhaus, des Bodenseeufers sowie des angrenzenden Auwaldes, mit all deren tierischen wie auch pflanzlichen Bewohnern, zur Folge hätte.
Wie kaltschnäuzig und erbarmungslos die Verantwortlichen mit ihren Helfershelfern in Wirklichkeit zum Thema stehen, lässt sich meiner Ansicht nach bereits daran erkennen, dass die Zerstörung des betreffenden Gebietes bereits Anfang der 2000er Jahre, durch den Beschluss des Gemeinderats (Hallo Radolfzell vom 2.9.21) ihren Ursprung hat und konsequent auf der Agenda gehalten wurde.

Im Zeitraum von damals bis Heute ließ man u.a. nicht nur die Pachtverträge, für die in den Stallungen der Reitanlage Bodenseereiter untergestellten Pferde auslaufen; oder kündigte diese. In jüngster Vergangenheit wurde vorsätzlich sogar ein Großteil der Schwalbennester von der Stalldecke geschlagen, um den Flugkünstlern ihre Grundlage zu nehmen. Mit dieser feigen Aktion wurde die Schwalbenpopulation im Bodenseereiter „mal eben so“ um gut die Hälfte dezimiert!
Mehr zum Schutzstatus der Sommerboten findet Ihr >> Hier.
Zum Glück grätschte das Landespräsidum der Stadt dazwischen, dass das Gebäude des Bodenseereiters nicht einfach so abgerissen werden darf, um schon mal den „Flächentausch“ anzuleiern, sondern so lange stehen bleiben und mit Tieren genutzt werden muss, bis ein neuer Platz für einen neuen Stall gefunden wird.

Auf einem der älteren Pläne war der neue Stallplatz ausgerechnet neben dem Hotel positioniert! – Welch eine Intelligenzperle! Schon mal erlebt, dass nicht irgendein Touri in ländlicher Gegend, sich darüber beschwert (sogar ernsthaft klagt!), warum der Hahn so früht kräht, die Kuhglocken zu laut läuten, Schafe zu viel und zu laut mähen oder Pferde zu laut trampeln? Das „ohrenbetäubende“ Wiehern von Pferden und Esel, Muhen von Kühen, Meckern von Ziegen, Schnattern von Gänsen sowie Gackern von Hühnern nicht zu vergessen!
Heutzutage wird sich um die Psyche und das (vermeintliche) Wohl der Haustiere mehr Gedanken gemacht, als sich bspw. um die Erziehung der Kinder gekümmert. Warum fällt das Wohlergehen unserer heimischen Wildtiere durchs Raster? Ja, auch wenn man nicht so dicke mit ihnen ist, so sind doch auch sie eigenständige Wesen mit jeweils eigenen Charakteren sowie spezifischen Bedürfnissen. – Wer hätte das nur gedacht?!

Und Jeder, wirklich Jeder!!, der sich neben Hund-Katze-Hase auch mit Wildtieren beschäftigt (ich komme vom Land, ich tu‘ das!), weiß um die Konsequenzen, die ein derart vorsätzlicher Raubbau, welcher das Hotelprojekt so oder so mit sich bringen wird: Wenn sie überhaupt jemals wiederkommen, kann es Jahre, Jahrzehnte, eventuell auch Jahrhunderte dauern, bis sich mit großem Schrecken vertriebene Wildtiere – auf Basis eines zum Himmel stinkenden Kompromisses – wieder in ihrer alten Heimat ansiedeln! Wer garantiert, dass sie dann nicht wieder zum „Problem“ werden?
Von daher sind sämtliche schöne Reden, von wegen: Renaturierung der Fläche des Bodenseereiters, der Natur im „Flächentausch“ etwas zurück zu geben, vollumfängliche, ökologische Ausgleichsmaßnahmen (mit Bagger und Schaufel, wohlgemerkt!) *bla-bla-bla* für die Sondermüllhalde!
Wem es „entfallen“ oder ehrlich nicht bekannt ist: Die Änderung von Artikel 20a GG, am 01. August 2002, gilt nicht nur für die üblichen Nutz- und Heimtiere, sondern für ALLE Tiere!

Der Satz: [Zitat-Anfang] Der Staat schützt auch in Verantwortung für die künftigen Generationen die natürlichen Lebensgrundlagen und die Tiere im Rahmen der verfassungsmäßigen Ordnung durch die Gesetzgebung und nach Maßgabe von Gesetz und Recht durch die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung. [Zitat-Ende] gilt ergo auch für Wildtiere, die i.d.R. unter einfachem bis strengem Schutz stehen … und überall im sowie um den Bodensee zu finden sind! *Ätsch!*
Zum Dritten, scheint es fast so, dass wenn sich Menschen wie ich, die sich (wieder) in persönlichen Ausnahmeumständen befinden, nicht wenigstens und aufrichtig für den Erhalt von wilder Flora und Fauna aufraffen, gerade machen und die Stirn bietend miteinbringen: Wo, wenn nicht in der weitestgehend unangetasteten, von Menschen nicht verfremdeter, „zurecht gebogener“ Natur soll man in absehbarer Zeit noch hin, um abseits allen Wahnsinns Kräfte zu tanken?
Eingepfercht in einen kostspieligen Super-Spa, mit (noch mehr) lästigen Touris, dekadenten Ansässigen und Schweizern die Schau laufen, weil die geplante, exhorbitante Umweltzerstörung ja einen ach so unschätzbaren, hochwertigen Erholungsfaktor verspricht? – Allein bei dem Gedanken daran, überlege ich mir, was ich alles essen könnte bzw. müsste, um angepasst ergiebig zu kotzen.

Wohin soll man entfliehen, um wenigstens für kurze Zeit der Hektik, dem Undank, der Rücksichtslosigkeit, der Arroganz, der Selbstgefälligkeit, den Zirkussen diverser Eitelkeiten, der Habgier, der Profit- sowie Prestigegeilheit des 21. Jahrhunderts zu entkommen? (Und Ja: auch vor den Super-Naturschützern, die Null Plan haben, welche Ressourcen und wieviel Energie für die Produktion EINES E-Auto-Akkus aufgewendet werden müssen, wovon EIN „böser“ Verbrennungsmotor-Pkw ca. ZEHN Jahre genutzt werden kann!)
Vielleicht werde ich mit 46 wirklich zu alt für den ganzen globalen Scheiß; vielleicht sind meine Prioritäten aufgrund meiner angezählteren Lebenszeit zu versetzt? Doch es ist erschreckend faszinierend, wie ein beachtlicher Teil einer Gesellschaft kollektiv verblöden, verrohen und verweichlichen zugleich kann.
Im Hallo Radolfzell vom 26.08.21 wird ein vermeintlicher Mehrwert für Einheimische und Gäste mit dem Deckmantel der Pandemie kaschiert. Angeblich wichtige, wirtschaftliche Beziehungen stehen oder fallen m.E. nicht mit pandemiebedingten Vorgaben. Wenn niemand (privat) reisen darf, darf niemand (privat) reisen! Wer hat dann, von einer künstlichen Einrichtung, einen echten Nutzen?
Liebe Leute, lasst Euch nicht länger blenden: Lassen wir die Zerstörung eines monumentalen, regionalen, unersetzbaren Naturguts zu, indem die Radolfzeller Vetterles, Stammtischkuschler und Lobbyistenschmuser mit ihrem Vorhaben, ein Hochwasserschutzgebiet (der Klasse 10 & 100) sowie einen Auwald mit unfassbar vielen, mitunter streng geschützten Tier- und Pflanzenarten per Sondergenehmigung zu eliminieren durchkommen, könnte das locker – ohne jede Schwarzmalerei oder Verschwörungstheorie – der Startschuss zur endgültigen, hemmungs- sowie grenzenloser Narrenfreiheit für generellen Raubbau an der Natur bedeuten! Jeder daherlaufende Vollhonk könnte sich, bei drohendem Scheitern seines Planes, auf Radolfzell als Präzedenzfall berufen…
Deshalb geht’s hier nicht nur zur Onlinepetition: >> Hände weg vom Seeufer-Biotop „Streuhau“ in Radolfzell am Bodensee! , sondern lasst Euch auch bei etwaig zukünftigen Vorortterminen blicken!!
Ich verstehe das nicht: Wenn wir etwas vom Menschen Erschaffenes zerstören, nennen wir es Vandalismus. Wenn wir jedoch etwas von der Natur Erschaffenes zerstören, dann nennen wir das Fortschritt. (Edward James „Ed“ Begley jr., US-amerik. Schauspieler)
*in diesem Sinn*
Sandra Zeller
P.S.: Im Oktober ist Oberbürgermeisterwahl in Radolfzell. Werft mal einen Blick auf den OB-Kandidaten Simon Gröger und seine >> Stellungsnahme zum Streuhau. Mir kuschelt der aktuelle OB mit diversen Lobbys ebenfalls zuviel.
Nachtrag, 18.09.21: Das große Zurückrudern beginnt … *grins*
Um sich durch höchstwahrscheinlich schon abgegebenen Unterschriften und damit eigentlich vertraglich-verbindliche Pflichten „politisch korrekt“ aus der Nummer zu winden, kommt nun aus dem Rathaus die Ansage, dass es nach der Bürgerumfrage einen Bürgerentscheid geben wird. *lach* – Tja, hätte man die Rechnung wohl lieber mal im Vorfeld mit dem Wirt gemacht. >:o)
Damit es nicht wieder zu einem „Missverständnis“ wie bei der Seetorquerung 2015 kommt, soll die Fragestellung dieses Mal SEHR einfach gehalten werden: >> siehe Wochenblatt-Artikel vom 17.09.21
Bei der Abstimmung um die Seetorquerung wurde vom gleichen Quatsch wie u.a. bei der Abstimmung um Stuttgart 21 Gebrauch gemacht: wer das Projekt NICHT wollte, musste Ja ankreuzen und umgekehrt. – Dass das bei der zunehmenden Volksverdummung nur schief gehen konnte, war sowas von klar. …
Guten Abend zusammen,
was für ein toller und beeindruckender Beitrag von Sandra Zeller. Wir Umweltschützer müssen diese Dame für unser Arbeit zum Erhalt des Auwaldes und Feuchtbiotops Herzen- Streuhau gewinnen. Ich werde mit Ihr Kontakt aufnehmen.
Nächsten Monat erleben wir die OB Wahl. Dann fallen die Würfel. Ein Bewerber für das hohe Amt hat schon versichert, daß er keinen Umweltfrevel zulassen wird. Danke Herr Gröger.
Unsere Unterschriftensammlung open Petition läuft hervorragend. Die Menschen wollen die Natur erhalten. Gut so. Wir sind nicht mehr die kleine aber lautstarke Minderheit, die der jetzige OB in seiner Neujahrsrede hervorhob.
Heinz Keller, Team der Umweltschützer von Radolfzell
Danke Sandra, für diesen großartigen Text. Und den Link zur Petition. Jedes weitere Wort erübrigt sich, denn es ist alles gesagt.