Diesen Eintrag widme ich vorallem Frauen und Männern*, die ihre Brust ganz oder teilweise dem Krebs überlassen mussten und sich dadurch an einer weiteren Stelle ihrer seelischen Belastungsgrenze bewegen…
Nach dem x-ten Mal haarlos innerhalb der letzten fünf Jahre, wuchs (trotz der damaligen Höllenschmerzen) auch in mir der Wunsch, in absehbarer Zeit wieder mehr nach Frau auszusehen, statt nur noch bzw. immer wieder ein undefinierter Klumpen Fleisch zu sein. Mit Vorfreude, Hoffnung und gewissen Erwartungen nahm ich Ende September das Beratungsgespräch mit meinem, mich 2017 operiert habenden Arzt wahr.
Sicher wird mir die oder der ein und Andere zustimmen, wie entstellt man sich, aufgrund der körperlichen Veränderungen durch eine (Brust)Krebserkrankung fühlen kann; auch wenn es objektiv betrachtet doch nicht so schlimm ist, wie man es selbst empfindet.
In jungen Jahren war ich schlank und hatte wenig Holz vor der Hütt’n, wie man in Bayern so nett sagt. Es machte mir damals zwar zu schaffen, rückblickend jedoch hat es wohl genau so sein müssen, weil es einfach aufeinander abgestimmt war. – Schlanke Figur, überdimensionaler Busen hat hohes Potential für eine lächerliche Comicfigur.
Wenn man jung ist, lässt man sich leider viel zu sehr von den Medien sowie der Gesellschaft beeinflussen, was – wie wir Alle wissen – sehr aufs Gemüt schlagen kann. „Damals“ war es nicht so, dass Jeder rumlaufen und sein kann bzw. „darf“, wie er möchte und gut war’s.
Erst mit Ende 30 nahm meine Oberweite zu … allerdings und leider auch mein Bauch; doch irgendwie passten die neuen Proportionen zueinander.
Heute, mit knapp 50, drei Krebstherapien später und aufgrund der neuen Medikation wieder ohne Haare, fing ich irgendwann an, selbst meine stimmigen „unperfekten“ Konturen zu vermissen. Dass ich aufgrund vieler Faktoren mittlerweile mehr Bauch als Brust hatte, setzte allem noch eins drauf. – Ja, auch die taffesten Menschen haben wunde Punkte.
Wichtig ist nur, dass man sich dabei nicht dauerhaft im Selbstmitleid suhlt bzw. aus dem Hadern mit sich wieder raus findet.
Im September also meinem geschätzten Doc gegenüber sitzend, ihm mein vermeintliches Leid klagend, klärte er mich ehrlich und kompetent auf, dass mein Wunsch eine schwierige Aufgabenstellung sei:
Nicht nur, dass es – derzeit / mal wieder / fürs restliche Leben – deutlich wichtigere Baustellen zu bewältigen gibt, befindet sich der Krebs mittlerweile ja chronisch in meinem Körper, so auch im etwaigen OP-Feld. Aufgrund von Schnitten können (schlafende) Krebszellen geweckt und aktiviert werden, wodurch ein neuer Kampf provoziert werden kann.
Aus Doc’s jahrzehntelanger Erfahrung waren weitere ernsthaft zu bedenkende Aspekte folgende:
- Durch einen erneuten Eingriff würden zwar die Brüste wieder größer, doch garantiert weder schöner, noch wie früher, weil eben – egal, ob mit eigenem Bauchfett oder Silikon – künstlich.
- Bekannterweise bringt jede OP Narben, die u.U. auch mal unkontrolliert, sprich: unästethisch und somit tatsächlich entstellend, verheilen können.
- Eine Brustrekonstruktion wie ich sie gedacht hatte, macht genau genommen nur bei einseitiger oder kompletter Amputation Sinn. Brustersatz bei einer voran gegangenen einseitigen Amputation ist zudem eher für die symmetrische Belastung zugunsten der Wirbelsäule anzuraten, um auch die Lebensqualität durch beidseits ausgefüllte BH-Körbchen zu verbessern.
- Selbst bei Verwendung von körpereigenem Fettgewebe wird das Empfinden nicht wie früher: überall werden Nerven durchtrennt, die sich nie wieder generieren.
- Bei Entnahme von Bauchfett entsteht mindestens eine Narbe quer über den Bauch und die neuen, vermeintlich schöneren Brüste fühlen sich wie zwei fremde Klumpen an, da jedes Gewebe dauerhaft für sich bleibt.
- Das Einpflanzen von (hoffentlich) gesundem Eigengewebe von anderer Stelle in ein bekanntes Krebsfeld, erschwert die zukünftige Beurteilung bei Nachkontrollen und sonstigen Untersuchungen.
- Das Gewebe einer vorerkrankten, behandelten Brust (Tumorentfernung, Bestrahlung) hat sich so stark verändert, dass anderes, „frisches“ Gewebe nicht mehr gut hält, immer taub bleiben und sich wie ein „toter“ Fremdkörper anfühlen wird.
- Plastische Brust-OP birgt hohes Risiko alles eher zu verschlimmern, wodurch massive Enttäuschung und ggf. noch größerer Seelenschmerz vorprogrammiert ist.
Auch wenn – nicht nur – meine Brustgröße nicht mehr wirklich zum Körperbau passt, haben mindesten 1/3 aller Frauen meiner Altersklasse, mit und ohne Krebsgeschichte, vergleichbare Probleme. Hormone verändern uns, Frauen wie Männer! Früher mehr als Heute, werden uns immer noch vermeintlich perfekte Modells vor die Nase gehalten, die ungeschminkt und abseits der Kameras garantiert auch ihre Probleme haben.
Umso wichtiger ist es, die eigene Wertestellung in der jeweiligen Lebensphase und Situation unbeirrt sowie ehrlich zu hinterfragen, sich damit auseinander zu setzen, statt immer nur dem mutmaßlichen Ideal nachzujagen.
Natürlich gibt es das ein und andere „letzte Einhorn“ – ich kenne selbst Eines – das bis auf wenige Falten weder zu altern, noch irgendwelche Problemzonen zu haben scheint. – Die Betonung liegt auf scheint.
Tatsächlich jedoch steht die Mehrheit der Menschheit, die ja schon wirklich viel auf alles Mögliche und nicht immer zum Guten Einfluss nimmt, neben Naturgewalten auch dem Alterungsprozess weitestgehend machtlos gegenüber. Wässerchen, Cremes, Spritzen und Co. mögen eine Zeit lang das offensichtliche, weil natürliche Altern hinaus zögern, doch letzten Endes hat Niemand die Schönheit und / oder Ewigkeit gebucht.
Ich, für meinen Teil, bin nicht nur über diese Beratung dankbar. Ich freue mich auch sonst über mein Leben sowie jeden Moment, den ich dem Krebs Kontra geben kann. Meiner Familie sowie meinen Freunden bin ich sehr dankbar, dass wir einen Teil unserer Lebenswege gemeinsam gehen.
Bin verzückt und verrückt nach meinem tierischen Wegbegleiter, genieße meine Hobbys und danke für jeden Moment, der mich schmerzfrei durch Zeit gehen lässt. Und wer weiß, wenn Maktub es vorsieht, läuft mir irgendwann auch noch der Mensch übern Weg, der mich bzw. uns (meinen Hund und mich) ehrlich komplett macht.
*in diesem Sinn*
Eure Sandra
* Jährlich erkranken in Deutschland etwa 700 Männer am eigentlich als Frauenkrankheit geltenden Brustkrebs. Das macht rund ein Prozent aller Brustkrebsfälle aus. Wegen der geringen Anzahl an Betroffenen wurde der Forschung auf diesem Gebiet bisher keine hohe Priorität eingeräumt. Die meisten Erfahrungen in der Diagnostik und Therapie werden bei Frauen gesammelt und auf die Situation der Männer übertragen. Mehr dazu im Onko-Internetportal der DKG e.V.
Sehr gut geschrieben, ohne wenn und aber….
Der Realität muss man öfters ins Auge sehen, ob man möchte oder nicht…. Bei einigen Fragen des Lebens wird man leider nicht gefragt, aber diese Frau bekommt von mir meine volle Bewunderung 🥰
Wunderschön geschrieben… 🥰🥰