Sonntag, Februar 9
Shadow

2017

Ein weiterer, wie ich finde, höchst interessanter Input ist die Tatsache, dass man als Versicherter in seinem Krankenversicherungs-Account Kostenübersichten abrufen kann. Diesen Service hat meine KV vor einiger Zeit eingeführt, um nun auch gesetzlich Versicherten die Möglichkeit zu geben, sich über die Leistungen im Einzelnen selbst ein Bild zu machen.

Da es immer wieder Oberschlaue gibt, die nicht müde werden, gegen die böse, böse Pharmaindustrie zu wettern, fragte ich mich oft, was wohl bspw. so eine Krebstherapie wie meine 2017 kostet? – Antwort: knapp € 37.000,00! – Ups, mit etwas über „lächerliche“ € 6.100,00 ist die schreckliche Pharmaindustrie bei mir wohl eher „leer“ ausgegangen. …

Arzt-, Krankenhausbesuche sowie Medikamente bedürfen – eigentlich – keiner näheren Ausführung. (Zum Simultanübersetzungskurs durch Klatschen & Tanzen war ich leider verhindert.)
Weitere Leistungen fassen u.a. die Fahrten zu Chemo bzw. Bestrahlung mit dem Taxi oder nach Abrechnung, wenn man Privat fährt / gefahren wird, Hilfsmittel wie Rollstühle, Duschhocker, Kosten für Physiotherapien usw. zusammen. Geldleistungen bedeuten bspw. Entgeltersatzleistungen, Krankengeld, Erstattungen für Präventionskurse u.ä.

Schaut doch auch mal in Euer GKV-Konto, was Eure gesetzliche Krankenversicherung so Alles für Euch leistet?!

Mein „Freund“, der Chemoport

Der Aufklärungsbogen für mich beginnt mit: Liebe Sandra Zeller, Ihre Behandlung erfordert die operative Einpflanzung eines zentralvenösen Katheders. […] Wonach die Ärzte bestimmen, welcher Krebspatient für seine anstehende Chemotherapie einen ZVK-Port braucht oder nicht: keine Ahnung; interessiert mich auch nicht.

Fakt ist: ich habe Einen und wir sind selbst ein Jahr nach Einsetzen immer noch nicht die besten Freunde; ich habe mich mit ihm arrangiert.

Wohl nicht zuletzt deshalb, weil ich nun weiß, wie er in Natura aussieht und, dass das was ich an Portkörper sowie Schlauch fühlen kann nicht nur seine Richtigkeit hat, sondern auch alles reibungslos liegt und funktioniert.

Ich habe mich während der Chemozeit immer wieder gefragt, wie die Mädels von der Praxis so treffsicher die so genannte Huber-Nadel in die Membran des Ports gesetzt bekommen? Zu keiner Zeit konnte ich auch nur den kleinsten Unterschied zwischen Membran und Portkörper erfühlen. Wovor ich nämlich etwas Schiss hatte, war die Möglichkeit, dass das Anstechen mal schief ging und die Chemosuppe neben dem Port ins Gewebe lief, was irreparable Schäden mit sich gebracht hätte.

Der abgebildete Chemoport ist baugleich mit meinem. Damit dieser weder wegkippen, noch auf Wanderschaft gehen kann, wurde er über eins der drei Löcher mit nicht auflösbarem Faden an einen Muskel genäht. Von dem fast 30cm langen Schlauch, der oberhalb der Brust verlaufend in die obere Hohlvene gesteckt wurde, sind ca. 2cm ab Port spürbar.

Sofern es zu keinen Komplikationen im Lauf des „Zusammenlebens“ kommt, kann mit dem Port Alles gemacht werden, was unter Umständen eine körperliche Belastung mit sich bringt: Rad fahren, Schwimmen, Wandern, Sport usw.

Es ist natürlich nur eine Empfehlung, den Port nach Abschluss der Chemotherapie noch mindestens zwei Jahre drin zu lassen – was, wenn der Krebs „erst“ nach drei Jahren wieder kommt?…

Da bin ich als Bayer jetzt einfach mal ganz Schwabe: Wa‘ mer hän, des hän mer un‘ mir gäbet nix (wieder her)! 😉

Wer (wie ich und einige Tausend Andere) als Krebspatient vom fiskal-„sozial“-politischem System in Deutschland nach der aufkommenden Bedürftigkeit schließlich in die Armut getrieben wird, lernt unter Umständen neue Möglichkeiten kennen, seinen Lebensstandard in Sachen Nahrung und Kleidung knapp über Sparflamme zu heben.

Auch auf die Gefahr hin, dass es uns (die wir schon länger in Deutschland leben) über kurz oder lang ebenfalls genommen / erschwert wird, möchte ich Euch einerseits auf die karitativen Secondhandläden und auf privat organisierte Foodsharinggruppen in einigen Städten hinweisen, wodurch man sich in der Regel kostenlos den Tisch ein bißchen mehr decken und nicht nur schöne, sondern auch qualitative Bekleidung für kleines Geld finden kann.

Als es für mich soweit war, dass das zur Verfügung stehende Geld zwar für die üblichen Verbindlichkeiten (Miete, Strom, Versicherungen etc.) gerade so reichte, nachdem alles sonst nach geltender Gesetzeslage angerechnet und weg genommen werden musste, erfuhr ich von der Foodsharinggruppe in Radolfzell und „traute“ mich zusätzlich in Die Kleiderstange, dem Secondhandladen des DRKs.

Wie sich herausstellte: beide Einrichtungen können von Jedem in Anspruch genommen werden, egal ob man sich gerade in der Bedürftigkeit made in Germany befindet oder aus anderen Gründen sparen möchte / muss.

Organisierte Foodsharinggruppen holen im Lauf bestimmter Vor-Mittage übrig gebliebene Lebensmittel von Wochenmärkten, Supermärkten sowie überzählige Ernte verschiedenster Früchte direkt von den Feldern ab und verteilen sie über so genannte, festgesetzte Fairteiler-Punkte an finanziell Geschwächte. Nach Absprache kann man zu viel gekaufte Nahrung und Co. auch als Privatmensch dazu stellen.

Die überwiegend freiwilligen Helfer von Foodsharinggruppen können zudem mit Geldspenden unterstützt werden, um bei Bedarf bspw. mal einen oder mehrere Reifen der privaten Autos (mit denen alles zusammen geholt wird) zu ersetzen oder für sonstige handwerkliche Belange, z.B.: um den Schrank eines Fairteilers zu reparieren oder ersetzen usw.

Was mich im Rot Kreuz-Laden beeindruckte – ich war bislang nie in einer karitativen Kleiderkammer –, war die angenehme Atmosphäre in dem Laden, die Vielfalt der Bekleidung, der Hersteller, der Topzustand der Klamotten und last but not least die kleinen Preise. Ich war nie ein Markenfreak und werde es auch nie sein; ich brauche Nichts und Niemanden, um mich darzustellen… Ich bin eine Marke.

Nichts desto trotz: karitative Secondhandläden haben nicht nur die oben genannten Vorteile, sondern natürlich wird dadurch auf einfache, erschwingliche Weise zusätzlich Nachhaltigkeit praktiziert. – Wiederverwertung durch Weiterverwendung.

Private Secondhandläden, die wirklich auf Umsatz aus sind / sein müssen sowie die ganzen Ankaufportale im Internet mögen ihre Existenzberechtigung haben, doch so nachhaltig, sozial motiviert und gemeinnützig eingestellt wie diese vorgeben zu sein, sind sie sicher nicht. Womit man für sich vielleicht die ein und andere Antwort darauf hat, wem man Kleidung zukommen lassen sollte, die man zwar selbst nicht mehr haben möchte, die unter Umständen auch von keiner „Supermarke“, doch zum Wegwerfen einfach noch viel zu schade ist.

Wer als Krebspatient während des Therapiemarathons in guten Phasen möglichst autark leben, unterwegs sein und sich lästige Diskussion gut gemeinter Ratschläge aus dem näheren Umfeld ersparen möchte, dem empfehle ich – primär zur Schonung der eigenen Nerven, die kommenden Monate werden noch durchschleudernd genug … – folgenden Kompromiss: Als Besitzer eines Smart- / I-Phones sollte man mit Beginn der ersten Chemo die GPS-Funktion an seinem Telefon aktivieren, um im Notfall von Privat über so genannte GPS-Tracker oder von der Polizei durch deren Möglichkeiten geortet und gefunden werden zu können.

Menschen, die mit mir nahezu täglich in Kontakt standen und in (relativ) unmittelbarer Nähe wohnten, erhielten von mir je nach Tagesverfassung auch mal die Information, dass, warum, wohin und wie lange ich voraussichtlich unterwegs bin. Stellenweise konnte man die Uhr danach stellen: meldete ich mich nicht zeitnah zurück, dass ich wieder gut erhalten zuhause angekommen war, erhielt ich ehrlich besorgte Nachfragen.

Allein das Wissen, im Notfall nicht ganz verloren gehen zu können – vorallem, wenn man es sich entsprechend seiner eigenen körperlichen Konstitution nicht nehmen lassen möchte bspw. Waldspaziergänge zu machen – war für mich ein großer Pluspunkt, wenn auch eingeschränkt, weiter am Leben teilhaben zu können und sich nicht zum Höhlenmensch zurück entwickeln zu müssen.

Wer meint, mit dieser Form / Möglichkeit der „Überwachung“ ein „Problem“ zu haben, dem sei gesagt: Datenschutz, Privatsphäre sowie persönliche Freiheit werden in Deutschland vieles, doch sicher weder großgeschrieben, noch besonders geschützt, geschweige denn – Grundgesetz hin, Grundgesetz her – prinzipiell garantiert. Wenn man sich über diese GPS-Technik helfen (lassen) kann, warum also nicht?!

So lax es auch klingt: Krebs ist der neue Schnupfen.

Von der leicht laufenden Nase bis hin zur lebensbedrohlichen Influenza bietet auch Krebs jede Menge Varianten, sodass kein Krebspatient mit einem anderen 1:1 verglichen, geschweige denn gleich gestellt werden kann. Und: Wir werden immer mehr.

Die Therapien gegen das jeweilige Arschloch mögen sich oberflächlich betrachtet ähneln oder gleichen und doch ist kein Krebs(patient) wie der Andere zu bewerten.

Die Einzigen, zu denen sich das scheinbar niemals herum sprechen wird, sind die, die zwar viele Krebsbetroffene, deren Therapien und deren Verläufe über wie viele Ecken auch immer „kennen“, im Grunde genommen aufgrund fehlender Eigenerfahrung aber eigentlich Null Plan haben. Das sind mir persönlich die „Allerliebsten“… Das sind die, die Einem am meisten (Lebens)Zeit wegfressen und denen ich dann doch schon in gewisser Weise irgendeinen Krebs wohin auch immer wünsche, damit sie all ihr „Wissen“ an sich selbst ausleben können. – Und dann mal sehen, wie weit oder treffend der ein und andere „ultimative Tipp für Jedermann“ ankommt…

Unschwer zu erkennen, bin ich nicht ganz so nett und durch die Blume, wie es sich angeblich gehört, um als gesellschaftlich korrekt zu gelten. – Als was??

Ein Mensch, mit (leichtem) Hang zum Pragmatismus, Neugier in Bezug auf Anatomie, Medizin, Wissenschaft und Technik, tut sich bei der Diagnose: Sie haben xy Krebs. höchstwahrscheinlich leichter, die Ruhe zu bewahren, um sich mit einem verhältnismäßig kühlen Kopf sowie kontrollierten Nerven die kommenden Monate damit – im schlechtesten Fall vielleicht Jahre – auseinander zu setzen.

Zuverlässige Informationsquellen sowie verlässliche, helfende, > wohltuende < Gesprächspartner zu finden, kann ein aufreibendes Unterfangen werden, weshalb man vorallem hier sehr kritisch sein sollte und allem voran die „gut gemeinten“ Empfehlungen von Hobbypsychologen gleich zu Anfang abzuweisen.

Leider ist es ja so, dass so mancher Krebs nicht weiß bzw. einsehen will, wann er aufzuhören hat, einem das Leben schwer zu machen oder gar die ganze Zukunft ordentlich zu versauen. Dass entsprechend Betroffene (sofern sie – noch – nicht aufgeben wollen) nur allzu gerne nach jedem erdenklich greifbaren Strohhalm greifen, auch wenn er sich noch so grotesk darstellt, ist ein Stück weit verständlich.

Jedem möglichen „besserem“ oder „anderem“ oder „bewährterem“ Furz zur Krebsbekämpfung hinterher zu hetzen, weil immer wieder Jemand auf der Bildfläche erscheint, der von einem Mann / einer Frau weiß … die / der weiß es wieder von … der / die es von … hat … nachläuft, verliert unter Umständen den Blick fürs Wesentliche und kann neben dem Leben vorallem wertvolle Zeit, Kraft und Substanz verlieren.

Deshalb: Haltet Euch von den vielen Schlauen fern, die es nur gut meinen, ob es ihnen passt oder nicht. Es geht um EURE Lebenszeit, um EURE Gesundheit, um EUREN Krebs!

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