07.11.18: Ich liebe es, wenn ein Plan funktioniert.
Das jetzt wirklich letzte, garantiert beeinflussbare Kapitel meines Brustkrebses ist abgeschlossen: vorgestern wurden die Eileiter entfernt. Check-in zu eigentlich nachtschlafender Zeit, OP, Aufwachen, eine Kontrollnacht bleiben und wieder heim können, verliefen ohne Probleme.
Bei mir wurde die Laparoskopie angewandt, d.h.: in die Bauchdecke kommen drei Schnitte: am Bauchnabel für die CO2-Leitung, womit man – buchstäblich – aufgepumpt wird, damit das Team ordentlich arbeiten kann. Unterhalb und (bei mir) links davon je ein kleiner Schnitt für das Endoskop und die OP-Geräte. Nach etwa neun Tagen werden die Fäden gezogen.
Bei dieser OP bekam ich auch den ersten Blasenkatheder meines Lebens gelegt und … Meine Fresse, nein danke! Zum Glück war ich wieder recht schnell bei mir, konnte mich verständigen und machte der Ärztin wohl auch sonst einen guten Eindruck, sodass ich das Teil kurz nach der OP bereits wieder abgenommen bekam. *Schweiß von Stirn wisch*
Ich musste lange überlegen, wie man das Gefühl beschreiben kann, das ein Blasenkatheder suggeriert (ich kannte es, kam aber nicht darauf), erst meine Zimmernachbarin brachte Klarheit: es fühlt sich an, wie eine akute Blasenentzündung!
Bezüglich des CO2 sei gesagt: da es ein Gas ist, das der Körper auch selbst herstellt, baut es sich innerhalb weniger Tage über die Haut komplett ab. Das „Perverse“ bei der Sache: sitzt, steht oder geht man, weicht das Gas nach oben über die Schultern weg, wodurch man im Nacken-Schulter-Bereich einen andauernden Druckschmerz verspürt, vergleichbar mit i.d.R. bekannten Verspannungsschmerzen, nur etwas stärker und mit nach unten hohen Druck, als würde Jemand nachhelfen.
Liegt man auf der Seite, schmerzen die Flanken, als hätte man entweder einen Megamuskelkater oder eine Nierenentzündung. Die einzig annähernd angenehmen Positionen sind auf dem Rücken oder Bauch liegend (geht trotz der Fäden, wenn außer der Matratze sonst nichts drückt), da das Gas so eine große Fläche für seinen Abgang hat.
Meine Physiotherapeutin konnte es mir sehr gut und verständlich erklären: bei einer Laparoskopie wird man von oben mit Sauerstoff versorgt, während unten das CO2 einströmt – diese Gase stehen nun gegeneinander und jedes will am anderen vorbei; dazwischen ist das Bauch-/Zwerchfell. Das Bauch-/Zwerchfell ist wiederum mit einem Nerv verbunden, der seitlich am Hals liegt und seine schlechte Laune in den Nacken- sowie Schulterbereich ausstrahlt.
Die Fäden zwicken und zwacken natürlich etwas, ein Sonntagsspaziergang sieht anders aus, doch im Vergleich zur letztjährigen Krebstherapiestrecke, ist das jetzt wirklich nur noch Firlefanz. Wenn es nach mir, meiner Familie und meinen Freunden geht, darf mit dieser Aktion im aktiven Kampf gegen Krebs jetzt echt das – erfolgreiche – Ende erreicht und mein Merkel in seine Schranken verwiesen sein.
Einen interessanten Artikel zum Thema findet Ihr im Onko-Internetportal der Deutschen Krebsgesellschaft.
Bei meinem dritten Nachsorgetermin im Juli ’18 sprach ich mit meiner Frauenärztin über die latente Angst vor Eierstockkrebs und fragte, ob und welche Möglichkeiten es mittlerweile gäbe, diesem Arsch zuvor kommen zu können? Leider ist die Wissenschaft immer noch nicht soweit, Eierstockkrebs frühzeitig zu erkennen, sodass man eigentlich schon mal anfangen kann, seine Angelegenheiten zu regeln, wenn er zugeschlagen hat. Auch wenn bei der humangenetischen Untersuchung keine 100%ige Aussage gemacht werden konnte, ob ich gefährdet bin oder nicht: allein das Risiko, mir auch diesen Krebs einfangen zu können, lässt sogar mich zeitweise nervös werden.
Meine Doc erklärte mir, dass eine Früherkennung zwar immer noch nicht möglich sei, es allerdings eine Vorbeugungsmaßnahme gäbe: wenn Eierstockkrebs meint, sich (auch) wichtig machen zu müssen, fanden die Wissenschaftler zumindest schon heraus, dass er dann seinen Ursprung in den Eileitern hat. Mit einer Entferung derselben sei das Risiko (auch) an Eierstockkrebs zu erkranken, um gute 60% zu senken!
Diese Aussicht musste man mir nicht zweimal sagen! Bei meinem kurz darauf folgenden, ersten Jahrescheck im Krankenhaus sprach ich den behandelnden Arzt darauf an. Er meinte, dass diese Maßnahme grundsätzlich möglich, aufgrund des [schwammigen] Ergebnisses der humangenetischen Untersuchung die Kostenfrage allerdings unklar sei. Genau genommen ist so eine Eileiterentferung nämlich eine Art Sterilisation. Verständlich, dass Krankenkassen diese Maßnahme nicht leichtfertig finanzieren. Es kann ja nicht sein, dass sich die Damen und Herren der Schöpfung auf Kosten aller Mitglieder sterilisieren lassen, um schließlich ungehemmt in der Weltgeschichte rum zu poppen.
Nun, ich bin keine Zwanzig oder Dreißig mehr; habe mir die Hörner schon lange abgestoßen, genieße seit mehr als einem Jahrezehnt ein geordnetes Singleleben, zu dessen Aufgabe mir jegliche Ambition fehlt und vom Verlangen, mir ein Kind an die Hacken häkeln zu lassen bin ich weiter als ein Lichtjahr entfernt, also: weg damit, das tödlich enden könnte! Es mag zwar jedem seine eigene Entscheidung sein, doch ich kann und werde nie Frauen (und Männer) verstehen, die sich in vergleichbaren Situationen befinden und entsprechende Maßnahmen ablehnen, weil sie sich dann nicht mehr als „richtige“ Frau, respektive „richtiger“ Mann fühlen würden und stattdessen lieber den richtigen Tod – mit Ansage und Anlauf – in Kauf nehmen.
Auf Nachfrage bei meiner Krankenkasse hieß es, ich müsste einen formlosen Antrag auf Kostenübernahme stellen, den Befund der humangenetischen Untersuchung sowie mindestens ein ärztliches Attest von einem meiner behandelnden Ärzte beilegen, aus dem hervorgeht, dass auch ärztlicherseits zu dieser Maßnahme geraten wird. – Gesagt, getan … erreicht! Knapp drei Wochen nach Antragstellung erhielt ich von einer Barmer Mitarbeiterin einen Anruf: sie benötigte noch die Angabe der Klinik, in der ich die OP machen lassen wollen würde und verriet mir zum Abschied schon mal mündlich, dass meinem Antrag auf Kostenübernahme statt gegeben wird. * M E G A F R E U *
Eine Salpingektomie ist keine große Sache: am Tag der OP morgens nüchtern ins Krankenhaus, unter einer kurzen Vollnarkose machen lassen, eine Nacht zur Kontrolle bleiben und am nächsten Tag wieder heim. Dieses Mal also nur sehr kleines Gepäck.
Um es nach Art des Hauses Sandra Zellers auf den Punkt zu bringen: die beidseits onkoprophylaktische Eileiterentfernung ist eine ernst zu nehmende Chance auf Lebensverlängerung to go.
Eine weitere Empfehlung, genauer gesagt ein wertvoller Tipp, den ich von der Sozialdienstmitarbeiterin in der Reha erhielt, war der Hinweis auf den Härtefonds der Deutschen Krebshilfe e.V., gegründet von Dr. Mildred Scheel. Ziel des Härtefonds ist es, unverschuldet in finanzielle Schwierigkeiten geratene Krebspatienten mit einer einmaligen Zuwendung (verhältnismäßig unbürokratisch) kurzfristig zu helfen.
Da die Deutsche Krebshilfe ein privater Verein ist, der trotz seiner über 40 jährigen Existenz sowie der bedeutenden Thematik ohne staatliche Zuschüsse leben und sich ausschließlich aus privaten Zuwendungen finanzieren muss (manch „Flüchtling“ bekommt schon kurz nach Ankunft in Germoney das Silbertablett vorgesetzt), erfolgen Härtefondsleistungen nur innerhalb Deutschlands an Privatmenschen.
Vom Sozialdienst der jeweiligen medizinischen Einrichtung (Krankenhaus, Brustkrebszentrum, Rehaklinik) kann man sich einen Antrag auf einmalige Unterstützung aus dem Härtefonds der Deutschen Krebshilfe e.V. aushändigen lassen.
Diesen füllt man entsprechend aus, legt ihm etwaige Leistungsbescheide (Jobcenter), die Kopie des Therapieplans sowie die Zusammenfassung der Sozialaspekte aus dem Entlassungsbericht der Rehaklinik bei und ab geht die Post. Nach etwa sechs bis acht Wochen Bearbeitungszeit kommt eine letzte Bitte um Erledigung, womit der ehrlich notwendige Bedarf abschließend überprüft wird, weshalb ich an dieser Stelle hier nicht näher darauf eingehe.
Lange Rede, gar kein Sinn: ich war eine der Glücklichen und durfte mich über eine Zuwendung, in fast der Höhe des vom System abgezogenen Abfindungsbetrag meines ehemaligen Arbeitgebers freuen. Nach Antragstellung im März, erhielt ich diese im Mai ausbezahlt, als ich keine Leistungen mehr vom Jobcenter bezog / bekam.
Neugier- und interessehalber, wandte ich mich an das Jobcenter und stellte die einfache Verständnisfrage: Wäre die Auszahlung der Härtefondszuwendung im Zeitraum erfolgt, in dem ich „Transferleistungen“ erhielt, wäre dieser Betrag dann AUCH § 11 SGB II: Zu berücksichtigendes Einkommen zum Opfer gefallen?
Nun, es kam zumindest schon mal kein, wie aus der Pistole geschossenes, klares Ja. Traurig, traurig und doch so bezeichnend, denn es kam auch kein klares Nein. – Im Grund genommen kam nichts Verwertbares außer: *ömm*, *uff*, *weiß nicht, muss ich nachfragen*, *das hatten wir jetzt noch nie* usw. usf.
Nachdem sich so ein System-Handlanger schlau gemacht hatte, erhielt ich einen Rückruf: zu einem derartigen „Sachverhalt“ existiere keine eindeutige Vorgabe, sodass der Verbleib (oder die Anrechnung) einer solchen Zuwendung während des Leistungsbezuges nach der „Sozial“gesetzgebung einer entsprechenden Einzelfallentscheidung bedürfe. – Ah ja.
Nun, was man sich jetzt hierzu wieder denken kann, überlasse ich an dieser Stelle jedem Einzelnen von Euch.
In der Reha wurde uns empfohlen, Zuhause eine Selbsthilfegruppe auch dann zu besuchen, wenn wir selbst keinen Bedarf daran sehen, um deren Wert in gesellschaftlicher wie auch politischer Sicht mit zu stärken.
Eigentlich hatte ich darauf ja wirklich sowas von keinen Bock (siehe auch den und anderen Eintrag zum Thema), doch mit der Aussicht auf Unterstützung meines politischen Engagements zugunsten anderer, zukünftiger (Brust)Krebspatient*Innen ließ ich mich darauf ein: die Selbsthilfegruppe Bodensee, organisiert von mamazone – Frauen und Forschung gegen Brustkrebs e.V., trifft sich jeden letzten Freitag eines Monats im Klinikum Singen.
Wirklich erwartet hatte ich zwar nichts, doch als zum offiziellen Beginn lediglich die Regionalgruppenleiterin Gertrud und ich da saßen, glaubte ich mich schon im falschen Film. – Schönes Wetter, freiwillige Teilnahme, offenes Angebot hin oder her: schwache Leistung, Mädels!
Im nun persönlichen Gespräch mit Gertrud, die natürlich meine Ambition hier anwesend zu sein erfahren wollte, erklärte ich ihr mein sozialpolitisch orientiertes Bestreben aufgrund meiner Erfahrungen der zurückliegenden Monate, woraufhin ich eine zwar nette, doch sitzende „Klatsche“ erfuhr: Der Fokus von mamazone e.V. läge mehr in der medizinischen Aufklärungsarbeit, denn in der (sozial)politischen Motivation. Nach Ansicht von mamazone e.V. sei es für die Genesung der Patienten wichtiger, über die Krankheit aufgeklärt zu sein und eine Anlaufstelle für die dunklen Momente zu haben, als finanziell auf festen Füßen zu stehen. Bitte?
Also ich für meinen Teil und dem Anderer, mit denen ich im Lauf der Zeit ins Gespräch gekommen war: eine Therapiestrecke wie bspw. die gegen (Brust)Krebs, lässt sich ohne finanzielle Sorgen um einiges „gelassener“ durchstehen, als wenn man zusätzlich zur Krankheit, den damit einhergehenden gesundheitlichen, psychischen und mentalen Veränderungen auch noch Existenzängsten made in Germany ausgesetzt ist.
Ok, ich verstehe: gegen das „heiße Eisen“ Altparteienpolitik und Lobbyismus in Deutschland geht augenscheinlich auch einem großem, bedeutendem Verein wie mamazone e.V. der Stift … Na, super!
Bis auf die Tatsache, dass trippelnegative Brustkrebspatienten im Grunde genommen nur die ersten fünf Jahre nach Therapieende „clean“ bleiben müssen, um als wirklich geheilt zu gelten, erzählte mir Gertrud sonst nichts wirklich Neues. Etwa eine halbe Stunde später gesellte sich eine weitere Betroffene zu uns, der eine SHG wirklich gut tat und sie mehr als gebrauchen konnte. Wäre die Gruppe an diesem Tag größer ausgefallen, hätte Gertrud diverse Infoblätter ausgeteilt, was in einem derart kleinen Kreis (wie dem unseren an diesem Tag) allerdings wenig Sinn machen würde. Ich bat um Zusendung der Informationen per Mail, worauf ich bis heute (20.6.19) warte…
Da meine Parkzeit nach zwei Stunden ablief, ich nicht wirklich viel Input erhalten habe, geschweige denn politisches Engagement erwarten konnte, verabschiedete ich mich. Neugierhalber nahm ich mir eigentlich vor, Ende Mai erneut zur Gruppe zu gehen, vergaß es dann allerdings und das wird dann schon was zu bedeuten haben.
Für mich persönlich ist die Teilnahme an einer Selbsthilfegruppe zum Thema Brustkrebs verschwendete Zeit.
Was ich medizinisch wirklich wissen muss, sagen mir die Ärzte. Was mich sonst wie zum Thema interessiert, lässt sich vielseitig nachlesen. Und wofür es nun mal Nichts gibt, muss man eben selbst aktiv werden, sein und bleiben.
<< 2017 >> 2020 (Keine Einträge in 2019)