Freitag, Oktober 4
Shadow

Der Weihnachtsmann und seine Rentiere (die B-Mannschaft)

Im Allgäu, die ersten sechs Lebensjahre auf dem Land aufgewachsen, anschließend noch zwei Jahre in einer Kleinstadt lebend, bevor ich nach München „verfrachtet“ wurde, stand für mich schon recht früh fest, dass wenn ich groß bin einen eigenen Bauernhof mit Kühen, Schafen, Eseln und Hühnern haben werde! Leider habe ich davon bislang (immer noch) nichts erreicht.

Dafür ging gestern zumindest ein Teil von meinem Kindheitsding in Erfüllung: ich durfte die kleine, bunt gemischte Herde aus Border Leicester, bretonischen Zwergschafen, Rhönschafen sowie Coburger Füchse meiner Nachbarin Lisa richtig kennenlernen und erfuhr zudem viele interessante Sachen, an die man als Träumer (egal wovon) nicht wirklich dachte.

Eher vor Ort eingetroffen, auf Lisa wartend, blieb mir Zeit genug, mir erst mal ein völlig eigenes Bild von der Bande zu machen. Gehört hatte ich schon viel von ihnen und stand einmal auch schon dabei, während Lisa sie versorgte und ihr mit anwesender Menschenwelpe mit seiner provokant-aufgedrehten Art eine konzentrierte, fokussierte Unterhaltung zu katapultieren wusste. – Nichts desto trotz: interessant war allein das Beobachten allemal. Nur sehr schade, dass man nicht mehr erfahren konnte.

Zurück zu Gestern: am Telefon sagte mir Lisa zwar, wenn ich wolle, könne ich schon den Strom ausmachen (Ömm, nur wo genau, das sagte sie mir nicht.) und auf die abgesteckte Weide gehen (Ömm, von wo aus genau?), doch das unterließ ich wissentlich lieber.

Nicht nur, weil Lisa mir bereits im Vorfeld auch „nette“ Geschichten von Böcken erzählt hatte, die Fremde nicht einfach so in ihrem Bereich duldeten, sondern weil ich (trotz aller, seit Kindesbeinen an bestehenden Sympathie für diese Tierart) schlichtweg keine Ahnung hatte, wie ich mich Schafen im direkten Kontakt nähern, mich ihnen gegenüber körpersprachlich verhalten musste, um als „OK“ angesehen zu werden. – Wie sich später heraus stellte, war mein abwartendes Verhalten, fremde Tiergehege erst mit dem gewohnten Bezugsmensch zu betreten, mal wieder goldrichtig!

Es genügt eben nicht nur, diese, jene oder „alle“ Tiere toll zu finden, „über Alles zu lieben“, primär sollte man deren Bedürfnisse und Spezies bedingte Eigenheiten wissen, statt sich einfach nur euphorisch, aus lauter „Tierliebe“ darauf zu stürzen. Capito?!

Quick-weg, ein bretonisches Zwergschaf von diesem Jahr, deren Freund die ganze Welt ist.

Ich vertrieb mir die Zeit derweil mit außen am Zaun entlang laufen, zu beobachten, zu fotografieren, erste zarte Bande über eine niedrigere Zaunstelle zu knüpfen und einfach nur mal wieder die Szenerie auf mich wirken zu lassen. 

 

Sowie Lisa auf der Bildfläche erschien, kam Bewegung in die Truppe. Sie brachte eine Tüte Popmais mit, der ähnlich wie diese Versandpufferteile aus Kartoffelstärke aussah und mit dem ich mich ebenfalls im Vorfeld erst mal einschleimen konnte. – Ja, von den armen Süßis, die da ach so verloren am Rand und oje oje abseits stehen, hat schließlich jeder was bekommen, ohne lange warten (und damit verhungern) zu müssen, als ich die Kamera weg legte und mitfütterte.

Währenddessen erklärte mir Lisa, worauf ich bei wem eventuell wie zu achten hätte und korrigierte mich zum Glück auch gleich in einer unbedachten Geste:

Schafböcke NIEMALS über die Stirn, respektive überhaupt im oberen Bereich des Kopfes streicheln!!

Vergleichbar mit dem oftmals kopflosem Umgang mit anderen Haustierarten, lösen Berührungen im oberen Kopfbereich von Schafböcken Reize aus, die sie hochfahren lassen und zu Angriffen führen können.

Wenn Böcken (rasse- sowie genetisch bedingt) die Hörner fehlen, lassen sie sich anhand der Stirnform von den Zibben unterscheiden: während Böcke eine eher nach oben gewölbte, runde Stirn haben, sieht die Stirn eines weiblichen Schafs wie eine Senke aus.

Der obere Bereich von Schafbockköpfen gilt damit als No-Go-Area, möchte man es sich mit diesen Tieren nicht verscherzen, sich nicht selbst vermeidbarer Gefahr aussetzen bzw. die Tiere nicht in unnötigen Stress – mal wieder made by Mensch – zu versetzen.

Auf meine Bitte hin, mit Vorschau auf diesen Eintrag, zeigte mir Lisa die Bitte-hier-und-da-und-dort-berühren-und-bloß-nicht-mehr-aufhören!!-Stellen am Beispiel ihres Border-Bocks ‚Brutus‘:

Auch verhält es sich bei Schafböcken ähnlich wie bei den meisten männlichen Vertreter einer Spezies *hüstel hüstel* : was (weibliche) Zweibeiner in der Regel gerne als „Das ist aber nett!“ interpretieren, ist aus deren Sicht schlichtweg Dominanz, Kontrolle und „Sieg“ über den Anderen.

  • Aus Respekt vor dem Bock bzw. den Böcken, die Herde nur in absoluten Ausnahme-, sprich Notfällen durchqueren ! In der Regel wird um die gesamte Herde herum gegangen, bis man dort ankommt, wo man hin wollte.
  • Des Weiteren sollte man niemals einen Schafbock an sich schuppern, sich von ihm durch Schuppern oder unterschwelliges Wegdrücken versuchen beeinflussen lassen.
  • Der Zeitpunkt sowie die Dauer des Streichelns bzw. Kraulens von Schafen wird, wie beim Hund, vom Menschen und nicht nach Aufforderung seitens des Tieres bestimmt.
    Ausnahme: widmet man sich gerade einem weiblichen Schaf, das evtl. auch ein Lamm hat und kommt dann der dazu gehörige Bock auf einen zu: von der Zibbe ablassen, sich aufrichten, erst mal nicht weg gehen, schon gar nicht hektisch!
  • Setzt ein Bock (im schlimmsten Fall mit Hörnern) zum Angriff an, denkt nicht mal im Ansatz daran, weg zu laufen! a) seid ihr zu  langsam und b) habt ihr das Tier nicht mehr im Auge, sondern kriegt es in Kürze ins Kreuz.
  • In dem Moment, in dem er mit gesenktem Kopf auf Euch zukommt, dreht Euch leicht seitlich, verlagert Euer Gewicht auf ein Bein und gebt ihm mit dem Anderen eine auf die Nase! Alles andere wird ihn weder beeindrucken, geschweige denn stoppen.
  • Sobald der Bock merkt, ihr lasst Euch von ihm nicht vertreiben, beschwichtigen und damit seine Kapitulation erklären möchte, senkt er den Kopf und tritt einen Schritt zurück. Diesen Moment nutzen, sich durch Aufrichten groß machen, durch Klappe halten sowie Blickkontakt souverän erscheinen und einen Schritt auf den Bock zu gehen, sodass er zu weiteren Schritten zurück gezwungen wird.
  • Beim Verlassen der Schafweide sich niemals von einem Bock „begleiten“ lassen, auch wenn man gerade erst mit ihm „gekuschelt“ hat. Der Mensch findet es „nett“ oder „süß“, der Bock denkt sich: Komm, ICH zeige dir jetzt mal, wo der Maurer das Loch gelassen hat.

 

Schafe sind sehr intelligente Wesen, die mehr als genau wissen, was sie wollen und sich auch nicht davor scheuen, es auf ihre Art versuchen durchzusetzen.

Je nachdem wie nährstoff- und mineralienhaltig der Boden der Wiese ist, auf der die Schafe stehen, müssen sie mit zusätzlichem Mineralfutter versorgt werden. Heutzutage ist es leider so, dass es kaum noch Weideflächen gibt, die gesund genug sind, um von sich aus mit ausreichend Nährstoffen und Mineralien aufzuwarten.

Gegen Schluss noch (m)eine Bitte: schmeißt Schafherden kein „gut gemeintes“ Futter auf die Weide! Vieles, das wir Menschen für „normal“ und „gut“ für Schafe halten, kann ein heftiger Schuss nach hinten werden.

Wenn ihr Obst und / oder Gemüse übrig habt, setzt Euch zuerst mit den Schäfern in Verbindung, Kontaktdaten sind entweder auf dem Kasten für den Zaunstrom und / oder entlang des Zaunes auf Schildern zu finden und fragt nach, ob die Tiere das wirklich vertragen und bekommen dürfen?! Ein Absolutes NO GO! sind – wie bei Kühen auch… – Backwaren aller Art!! 

Meldet es bitte zudem, wenn Ihr Jemand dabei beobachtet, es „nur gut zu meinen“, sich diese Person selbst bei freundlicher Bitte, davon abzulassen, renitent zeigt oder sonst wie den Tieren Schaden zufügt – Stichwort: Müll…

Ansonsten: genießt es einfach, „geparkte“ Schafherden zu beobachten. Früher gehörten sie von Haus aus ins Landschaftsbild, heute sind sie nahezu Raritäten und gehören besonders respektvoll behandelt.

Und wenn Euch Eure Hunde nicht glauben wollen, dass der Zaun da „Aua macht“ … learning by feeling.

Alles in Allem ein, mal wieder tierisch gelungener Tag mit einer Menge interessanten Input, Erfahrungen sowie neuen Erkenntnissen, um die ich seit gestern reicher bin.

*in diesem Sinne*
Eure Zeller

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