Corona-Sonntage, Beobachtungen einer Hundebesitzerin
Ein sonniger Corona-Sonntagvormittag in Deutschland. Oktoberfestfeeling auf dem winzigen Wanderparkplatz. Dieser ist bereits komplett überfüllt, aber da sind ja noch genügend Wiesen nebenan, die man vollparken kann. Völlig verstört wirkende Kinder und Hunde werden ausgeladen und sollen endlich einmal in den Genuss unserer schönen Natur kommen.
Ein kleiner Junge sieht sich unsicher um und versteht nicht, warum zum Kuckuck er mit seinen Eltern jetzt in der Pampas rumlatschen und plötzlich irgendwelche Gänseblümchen bewundern soll? Es wirkt, als hätte sein bisheriger Naturkontakt darin bestanden, ab und zu mal die Tischdeko-Primel bei der Eisdiele zu bewundern. Dorthin führte nämlich sonst die „Wanderroute“ der Familie, nach dem Sonntagsbraten.
Ich fahre ein ganzes Stück weiter und finde endlich eine ruhige Ecke. Denke ich zumindest.
Keine Minute bin ich unterwegs, als sich plötzlich ein älteres Ehepaar auf ihren neuen, blitzenden E-Bikes von hinten nähert. Im Rausch der Geschwindigkeit haben sie wohl ganz vergessen, dass sie den Bremsweg, eines mit Klopapier vollgeladenen 40-Tonners haben und sich zudem mit locker 7 m/s auf einen zu bewegen. Zehn Meter bevor sie mich über den Haufen karren, klingeln sie hektisch. Ergo habe ich knapp über eine Sekunde Zeit, um mich und den Hund mit einem beherzten Sprung in den Straßengraben in Sicherheit zu bringen. Für mich, die in der Schule bei den Bundesjugendspielen höchstens ein „hat teilgenommen“ erhalten hat, ist das eine sportliche Glanzleistung.
Gänzlich unbeeindruckt rauschen die Beiden vorbei, wobei ich noch ein paar Wortfetzen höre, in denen das Wort Köter vorkommt. Mich tröstet der Gedanke: Der Waldweg, auf den sie zusteuern, wird nachher derart steil, dass ihre Akkus höchstwahrscheinlich keuchend ihren Betrieb einstellen werden.
Eine Familie kommt mir entgegen, mit Kind und Ferdinand, einem übergewichtigen, älteren Goldie. Es scheint, Ferdinand würde am liebsten wieder nach Hause auf sein Sofa, schließlich war die letzte größere Gassirunde schon Jahre her und führte gerade einmal ein paar Straßen weiter zu einem verhassten Nachbarn, wo er gemütlich einen Haufen in den Schottervorgarten setzen durfte. Herrchen hat es gefreut, schließlich ist Nachbars Schotter viel schöner und scharfkantiger als sein Eigener.
Der arme Ferdinand rennt, zwar kurz vor dem Herzinfarkt, aber von einem nicht kontrollierbaren Trieb gesteuert, zum fünften Mal einem Tennisball hinterher, welchen seine geistig umnachtete Familie ständig in einen, bereits mehrere cm hohen, Saatacker wirft. Der Landwirt wird sicherlich seine Freude daran haben, vor allem als nach dem sechsten Wurf die komplette, grenzdebile Sippe dem verlorenen Ball hinterherstromert. Ferdinand liegt währenddessen, komplett erschöpft, am Straßenrand und hängt suizidalen Gedanken nach.
In dem Moment frage ich mich, ob die drei Kilo Hundehaare, die ich letztes Jahr aus dem frisch gemachten Heu des Landwirts gefischt habe, vielleicht von Ferdinand stammten?
Ein ganzes Konglomerat von Fahrradfahrern rauscht unterdessen an uns vorbei. Der Papa und die Tante haben schon völlig überhitzte, rote Köpfe von der ungewohnten Anstrengung. Damit es die Beiden nicht vom Stängele haut, werden ihnen Energydrinks eingeflößt. Damit diese herrliche Natur auch etwas von ihnen zurück bekommt, pfeffert man die leeren Dosen in die Walachei. Bis zur nächsten Radtour, in 20 Jahren, werden die ja sicherlich eine untrennbare Vereinigung mit der Natur eingehen. Vielleicht kann auch ein Eichhörnchen darin nisten? Und damit die armen Tiere auch Nistmaterial haben, wirft die Mama sogleich noch die vollgeschnodderten Taschentücher der Kinder hinterher.
Ein leicht fastfoodlastig aussehender Mountainbiker, in viel zu engen Radlerhosen, rast an uns vorbei. Am Lenkrad klemmt ein kleiner Lautsprecher aus welchem, mit gefühlten 120dB, irgendeine grausige Musik dröhnt. Volle Fahrt voraus, rein in den Wald. Falls die armen Tiere im Wald nicht der Schlag trifft, kann er sie wenigstens voll motiviert über den Haufen brettern. – Brut- und Setzzeit? Davon hat wohl noch keiner etwas gehört! Höchstens vielleicht von einer Brustzeit, wovon das komplett sonnenverbrannte Dekolleté einer übermotivierten Joggerin ein Liedchen singen könnte.
Weiter vorne zerrt eine Mutter an einem Zweig Weidenkätzchen herum. Dass sich vor ihr schon zig Andere bedient haben und die arme Pflanze mittlerweile aussieht wie ein Alopeziepatient, interessiert niemanden. Es ist doch Ostern, man braucht eine Deko und das ist hier ist so herrlich natürlich! Da kann man so wunderschön die billigen Plastikeier, aus dem 99 Cent Laden, made in China, dranhängen. Wenn er dann den Geist aufgibt, kann man ihn, am Besten samt den Eiern, doch umweltgerecht in die Biotonne kloppen.
Ich habe genug. Mit unzähligen Hundehaufentüten voll Müll, die ich am Straßenrand aufgeklaubt habe, trete ich den Heimweg an. Unterwegs muss ich darüber nachdenken, wie viele ignorante, selbstsüchtige und dumme Menschen es doch gibt. Niemand ist perfekt, aber ein bisschen weniger Gedankenlosigkeit und etwas mehr Rücksichtnahme sollten nicht zuviel verlangt sein?!
P.S.: Für die kommenden Wochenenden habe ich nur einen Wunsch: Dauerregen bei 5°C!
Geklaut, weil so geil und sooooo wahr! – Nicht nur zu Corona-Zeiten …
Verfasserin unbekannt
(Anmerkung SZ: aufgrund zahlreicher, Leser unfreundlicher Schreibfehler, wurde die Originalfassung stellenweise von mir überarbeitet.)