Nach der Not-OP im April ging es mir (erwartungsgemäß) den Umständen entsprechend gut. Dennoch fragte ich mich (rhetorisch) manchmal schon, was wohl noch so auf mich wartete? …
Nervig an dem neuen „Spielplatz“ war die konsequente Einhaltung der Wundversorgungsvorgaben und dass innerhalb des darauffolgenden Zyklus‘ eine Suppe ausgesetzt werden musste, um die Wundheilung zu fördern und meinen Körper, sprich: mich, zu schonen.
Bis auf die Fäden und Drainagen zwischen den Pobacken, war die Welt im Großen und Ganzen wieder in Ordnung und Alles ging seine gewohnten Gänge.
Im Rahmen der Troveldy-Kur musste es dann allerdings eine kleine Änderung geben: da meine Blutwerte bei dieser Therapie zwei Mal zu sehr in den Keller rasselten, wurde der Stoff von 10ml pro Kilo Körpergewicht auf 2/3 reduziert.
Die Nebenwirkungen blieben nahezu gleich: am Tag der Chemo ermüdete ich erst durch die Begleitmedikamente (gegen Übelkeit und allergische Reaktionen) und verfiel, zuhause angekommen, eine kleine Runde mit meinem Schnüffler gedreht, in den üblichen Schlaf für 2 – 4 Stunden. Abends war ich wieder wach, eigentlich auch sowas wie fit und fand – na, super … – entweder erst (weit) nach Mitternacht für ein paar Stunden oder eben gar keinen Schlaf mehr.
Nach etwa sechs Wochen sollte es mit der neuen Baustelle eigentlich gut sein – eigentlich … Irgendwann in der fünften Woche kamen erneut Schmerzen buchstäblich aus dem Hintergrund, sodass ich mich Ende Mai freiwillig zur Kontrolle ins Krankenhaus begab. Sie wollten mich erneut gleich wieder da behalten, doch nun wusste ich ja wie der Hase läuft und wo der Hammer hängt: ich fuhr nochmal nachhause, organisierte entsprechend meine Abwesenheit, die nun planbare Unterbringung meines Felles und checkte am nächsten Tag (Samstag) wieder im Krankenhaus, zur zweiten OP am Po ein. Was wohl noch so auf mich wartete? … Irgendwann in den letzten Wochen hatte sich eine neue Eiterhöhle, etwas versetzt zum vorherigen OP-Feld gebildet und deren Bakterien sorgten für die neuen Schmerzen.
Damit war meine Hoffnung, dieses Kapitel möglichst schnell abzuschließen, nicht nur für weitere, mindestens sechs Wochen ad resubmission gelegt, ebenso wurde der komplette, direkt darauf folgende Chemozyklus ersatzlos vom Plan gestrichen.
Anfang Februar hatte ich meinen Antrag auf Lymph-Reha eingereicht, etwa viereinhalb Monate später erhielt ich den Bewilligungsbescheid von der DRV Bund – allerdings mit Vorgabe in der „falschen“ Klinik, was einen Widerspruch meinerseits zur Folge hatte.
Bereits im Antrag hatte ich, mit Angabe einer bestimmten Rehaklinik gebeten, dort und nirgends woanders hin zu „dürfen“. Grund: von etwa sieben Standorten für Lymphologie-Reha war dort Reha mit Hund möglich!
Hinweis: Reha mit Hund ist – wenn angeboten – ausschließlich in Kliniken möglich, die im Besitz von Bundesländern oder Privat sind. Staatlich getragene Rehakliniken haben diesbezüglich den Sprung vom Baum noch nicht geschafft oder suchen noch den Höhlenausgang.
Tipp: Habt ihr einen Hund und möchtet bzw. müsst ihr ihn mit in die Reha nehmen (können), macht euch übers Internet schlau, ob und wo es eine Rehaklinik eures Bedarfs gibt und gebt diese gleich im Antrag mit an. Fragt, rein performa, auch noch direkt bei der Rehaeinrichtung nach, ob sie mit allen Kostenträgern entsprechende Verträge hat (i.d.R. Ja) und argumentiert damit, falls eure Wunschklinik (wie bei mir) nicht gleich beachtet wird. Und ganz wichtig: dass euer Hund aus psychologischen sowie physiologischen Gründen immens wichtig für euch ist, gehört unbedingt schon in den Antrag rein!
Nach nicht ganz vier Wochen erhielt ich einen neuen Bescheid, mit der richtigen Rehaklinik! Anfang Dezember fahren Fiú und ich nun nach Thüringen und ich hoffe sehr, dass meine Arme – der Linke spinnt mittlerweile auch – sich besinnen (Weihnachtszeit, könnte klappen) und wieder normal werden.
Im Großen und Ganzen verliefen die letzten Monate – für mich, immer an der Gesamtsituation gemessen – sehr gut und angenehm.
Nach nur drei Monaten Troveldy-Kur brachte das Kontroll-CT Mitte Juli keinen Befund mehr hervor und auch meine Gyn konnte im August nichts mehr auffälliges vermelden! Yeah!
Da ich mittlerweile allerdings und zeitweise Flöhe husten höre, geringgradig paranoid zu werden scheine, wurde meinem Wunsch nach einem MRT des Kopfes, zum Ausschluss von Metastasen, außer der Reihe, stattgegeben. Man glaubt es kaum: im Kopf ist alles ok! 🙂
Während ich entspannt durch die Zeit schlenderte, ein paar tolle Tage mit meinem Bruder verbringen durfte, sah es außerhalb meiner kleinen Welt leider nicht so rosig aus:
Anfang August erfuhr ich durch Zufall, dass sich eine langjährige Freundin in Endzeitstimmung befindet und die Tatsache, dass sie niemanden mehr sehen wollte – auch mich nicht – ließ mein Gedankenkarussell hochfahren. Ich war mit dieser Situation von jetzt auf gleich dermaßen überfordert und beschäftigt, dass ich mir beim psychoonkologischen Dienst einen Termin erbat, der zum Glück auch sehr zeitnah stattfand. Primär hatte ich (für mich) Sorge, dass die negative, kraftraubende, belastende Energie dem Krebs wieder Aufschwung ermöglichte.
Mein Psychologe verstand es allerdings, mich schnell und logisch nachvollziehbar auf den Boden zurück zu stellen. Herzlichen Dank nochmal an dieser Stelle!
Besonders interessant fand ich seine anschauliche Erläuterung, dass und warum Krebs im Grunde genommen, gar nicht sooo viel mit der jeweils eigenen Lebensweise zu tun hat, wie gerne behauptet wird, sondern genau genommen auf zwei saudummen Zufällen basiert und wenn diese zusammenkommen, die persönliche goldene Arschkarte auf dem Tisch liegt:
Die Körperzellen sind sich durch Teilung / Kopieren ständig am Erneuern und dabei es kann vorkommen, dass eine dieser Kopien fehlerhaft wird (1. dummer Zufall) – im Normalfall sterben solche mangelhaften Klone den natürlichen, programmierten (Zell)Tod. Und dann gibt es die, die meinen, sich nicht an Gesetze und Regeln halten zu müssen und anfangen, ihr eigenes Ding zu machen (2. dummer Zufall), woraus sich schließlich die Krankheit Krebs entwickelt.
Das knapp einstündige Gespräch mit dem Psychologen half mir sehr und als ich kurze Zeit drauf doch meine Freundin sehen konnte, wir wieder mehr in Kontakt standen, war ich wieder komplett in der Spur.
Etwa eine Woche später ein weiterer Schicksalschlag in meinem engsten Umfeld: der Mann einer anderen Freundin fühlte sich sehr schlecht, wurde allerdings von seiner Hausärztin wohl nicht so genau untersucht und ernst genommen, wie es augenscheinlich angebracht gewesen wäre. Die Zwei waren 35 Jahre zusammen, davon 25 verheiratet.
Nun, lange Rede gar kein Sinn: von jetzt auf gleich fand ich mich in einer „fremden“ Krebsgeschichte (ausgerechnet Bauchspeicheldrüse …) wieder und aus meinen vermuteten sechs bis neun Monaten, von einem weiteren Arzt als maximal zehn Monate prognostizierter Noch-Lebenszeit wurden sehr tragische drei Wochen (!!), an deren Ende ich zusätzlich den ersten Toten meines Lebens zu Gesicht bekam.
Bei ihrem Mann hatten sich schon längere Zeit diverse Zeichen gezeigt, die, wenn sie früh genug allseits ernst genommen worden wären, evtl. sein Überleben bedeutet hätten: Schmerzen im Rücken, Unwohlsein in der Magengegend, gelbliche Augen, Abgespanntheit, Apetitlosigkeit, Gliederschmerzen … seitens des Betroffenen wurde leider Alles auf alles mögliche geschoben, nur nicht auf etwaige Krebsentstehung. Seitens der Hausärztin wurde sein Befinden, trotz hoher Entzündungswerte der Leber (gelbe Augen, Metastasen) als Infekt befunden und etwa eine Woche vor dem Tod erhielt er im Krankenhaus noch eine Chemoinfusion – wie unfassbar sinnbefreit!!
Bei aller Tragödie und wahrem Drama dieses Schicksals wurde mir extrem deutlich bewusst, wieviel Schwein ich eigentlich habe!
Wir, das gesamte nahstehende Umfeld meiner Freundin und ich, versuchen ihr in dieser höllisch schweren und schmerzhaften Zeit auf vielfältige Art und Weise, mit all unseren jeweiligen Fähigkeiten zur Seite zu stehen.
Sehr oft werde ich auch auf meine Kraft angesprochen, dass und wie ich trotz meiner Geschichte für meine Freundin da bin; viele ziehen den imaginären Hut vor mir. Ja, ok, es ist wohl wirklich nicht alltäglich und üblich als selbst Schwerkranke in so einer „dritten“ Lebensphase wie eine Eins da zu stehen und nach besten Kräften zu helfen.
Das Zauberwort heißt: nach besten Kräften … Natürlich bin ich heute weder psychisch, noch physisch so belastbar wie vor sechs Jahren und höre tatsächlich auf meinen Körper, ob und was er wann kann oder eben nicht. Darüber wird „intern“ dann auch nicht diskutiert. Denn mittlerweile habe ich (dem Krebs sei Dank) gelernt, mich wirklich nur noch auf das Wesentliche zu konzentrieren und mich ausschließlich auf die Menschen einzulassen, die mir in vielerlei Hinsicht gut tun. Für die es Freude macht, komme was wolle, ebenfalls da zu sein. Und die Zeit sowie Kraft, die ich mir dadurch einspare, weil ich nicht mehr für Alles und Jeden springe, ermöglicht es mir schließlich ein paar Schippen drauf zu legen, wenn eben eine so besondere Situation eintritt wie bei meiner Freundin.
Eigentlich ganz einfach, oder?! 😉
Worum ich meine Freundin trotz allem beneide? Darum, dass sie sich von ihrem Mann noch verabschieden und ihn an die Schwelle des vorletzten Weges begleiten konnte. – Meine geliebten Menschen waren immer einfach tot, weg, keine Möglichkeit mehr, mit ihnen nochmal zu reden, sie nochmal zu halten, ihnen nochmal zu sagen, wie lieb ich sie habe …
So … ja … wie sieht der Rest meines Jahres 2022 aus?
Kommenden Montag unterziehe ich mich der dritten Po-OP zur Fistelsanierung, damit ich bis zum Dezember wieder fit bin und in der Reha alles, auch Wasser-Gym mitmachen kann.
Ende September habe ich – hoffentlich – endlich das Beratungsgespräch zum Brustwiederaufbau, der mir bislang nicht wirklich wichtig war. Allerdings macht es für mich mittlerweile doch einen mich beschäftigenden Unterschied, ob man Fertig- und Fähigkeiten wie ein Kerl hat, sich „untypisch“ für eine Frau gut zu helfen weiß oder ob man, von Krebs(therapien) entstellt, wie einer aussieht und sich selbst, immer mal wieder, wie ein nurmehr undefinierter Klumpen Fleisch sieht.
Anfang Oktober erfolgt ein Gespräch mit dem Onko-Doc: Was machen die Werte? Wird die Chemo wieder aufgenommen? sowie ein nächstes Kontroll-CT. Wegen mir können wir gerne noch ein bis zwei Zyklen einbauen, bevor es schließlich Anfang Dezember für mindestens drei Wochen in Reha geht.
Ganz zeitnah freue mich nun allerdings auf übermorgen, dass ich mit einer weiteren Freundin das erste Mal zum Stoffmarkt Holland nach Schwenningen fahre. Ich habe mir vorgenommen, die letzten Wochen auch mega den Keller auf- sowie ausgeräumt, meinem Näh-Hobby wieder mehr und ernsthafter nachzugehen.
*in diesem Sinn*