
Aufbauen (1974 bis 2017). Abbauen (Anfang 2017). Aufbauen (Anfang 2018). Abbauen (Ende 2020). Aufbauen (Anfang 2023). Abbauen (Ende 2024). Mit allem mir aktuell zusammen kratzbarem Galgen- und schwarzem Humor: Ich komme mir vor wie ein gefragter Künstler auf Tour.
Obwohl es mir klar war, dass ich mich – aWdP (auf Wunsch des Patienten) – seit dem 05.12.’22 offiziell nur in Therapiepause befand, aus der Krebsnummer wohl nie mehr rauskomme, jederzeit die Möglichkeit auf einen Rückfall besteht, verfällt man ab einem bestimmten Zeitpunkt in eine Phase des verwöhnt Seins (wie gut man wieder alles hinbekommen hat, alles läuft), genau das festhalten Wollens, vielleicht noch eine kleine Steigerung Erreichens.
Ja, im Großen und Ganzen waren die letzten zwei Jahre richtig gut und es hätte gerne noch eine Weile so weitergehen können, aber: NÖÖÖÖ! Krebs ist und bleibt ein Arschloch und was man in der „sorgenfreien“ Zeit nicht schafft, muss entweder zurück in die Schublade oder Ablage P wie Papierkorb.
Willst du Krebs zum Lachen bringen, dann mach‘ Pläne!
Ca. drei Wochen vor meinem 50er ertastete ich im Hals, diesmal auf der rechten Seite, nicht nur wieder zwei Knubbel, sie waren zudem mit bloßem Auge zu erkennen und mir sofort klar: das neu-süße Leben hat nun Pause. *NERV!*
Mein Glück, diesen Fund nervlich weitestgehend gepackt zu haben, lag u.a. darin, dass bereits fünf Tage später das ohnehin geplante Kontroll-CT angesetzt war und ich mich auf das Unausweichliche einstellen konnte. Dass mich allerdings zahlreiche, im Oberkörper verteilte Metastasen im Kontrastmittelrausch anstrahlten, darauf war ich nicht gefasst. *FUCK!*
Was meine Krebserkrankung angeht, bin ich mittlerweile insofern „professionell“, als dass ich keine Angst vor der finalen Konsequenz für mich habe, sollte sich ein Rückfall als ultimativer Endgegner entpuppen. Meine einzige Angst, die ich in diesem Zusammenhang habe, ist die, meinen Hund zurücklassen zu müssen.
Nicht nur, weil dieses Kerlchen mein Herzensfell ist, sondern auch speziell wird, wenn er länger als ein paar überschaubare Stunden ohne mich sein muss:
Als ich bspw. Anfang ’22 notfalltechnisch von der Prokto-Praxis direkt ins nebenstehende Krankenhaus gebracht, operiert und eine Nacht einbehalten werden musste, konnten ihn (ihm gut bekannte) Hundefreunde im Dorf zwar aus der Wohnung holen und zu sich mitnehmen.
Sobald es allerdings anfing dunkel zu werden, er (außer Geschirr und Leine) leider nichts Persönliches, Vertrautes bei sich hatte, ich nicht – wie sonst – auftauchte ihn heimzuholen, die Buddelversuche unterm Zaun durch scheiterten, unsere Hundefreunde ihn vom Garten ins Haus holen wollten, schaltete mein Terrier-Mix auf 100% Straße und biss zu!
Als ich damals nur sechs Wochen später erneut operativ ran musste, es dieses Mal innerhalb 24 Stunden koordinieren und ihn bei einer ihm sehr vertrauten Freundin (vis-à-vis wohnend) unterbringen konnte, war Fiú trotzdem nach Flucht: mit seinem buchstäblichen wie sprichwörtlichen Dickschädel drückte er eine eigentlich fest genagelte Zaunlatte des Jägerzauns weg und ging kurzzeitig zu seinem Zuhause stiften!
Hunde sind ja schon an sich extrem loyale Wegbegleiter; Charakterhunde wie Terrier und Dackel setzen allerdings auch da noch einen drauf. Lasst euch von seiner ach so herzigen Optik und Art bloß nicht täuschen! ;o)
Kurzum: Auch wenn wir zahlreiche (Hunde)Freunde haben, die uns im vorübergehenden Bedarfsfall jederzeit helfen würden, weder einem unter ihnen noch seiner wirklich tollen Pfotenhilfe traue ich es zu, Fiú für ein vor allem ihn zufrieden sowie gehorsam machendes Leben ohne mich umzuprogrammieren. Es gibt Couples, die ausschließlich füreinander gemacht sind, Fiú und ich sind eins davon; und deshalb ist mein kleiner Terrier der tatsächlich einzigste Grund, weshalb ich auch aus der vierten Runde als Sieger hervorgehen muss. (Hoffentlich schaffe ich es auch …)

In meiner (vermeintlich) sorgenfreien Zeit gab es ein besonders mitnehmendes, nachdenklich machendes Ereignis, seit dem ich mir ernsthaft Gedanken mache, noch einmal eine Partnerschaft eingehen zu wollen; dieses Mal allerdings ohne den kleinsten faulen Kompromiss!
Nun bin ich ja weder der große Ausgeher, Verreiser noch ein allgemein ausgeprägter Menschen-Mensch, und die heutige Gesellschaft macht es keinem mehr leicht, quer (mit nur einem e) wieder einzusteigen; gefühlt kann man sich heute ohnehin kaum noch mit jemandem verständigen.
Um herauszufinden, ob eventuell meine Spureinstellung fehlerhaft ist, wandte ich mich im Sommer an den mir bekannten psychoonkologischen Dienst, um einen Gesprächstermin zu bekommen und erfuhr, dass es aufgrund der immensen Nachfrage eine Änderung in der psychologischen Betreuung von Krebsbetroffenen in der Region gegeben hat:
Für Krebspatienten in Akutsituationen (im Krankenhaus, während der Therapie) ist weiterhin der pyschoonkologische Dienst zuständig. Krebsbetroffene, die sich in Therapiepause befinden oder als „geheilt“ gelten, deren Thematik allerdings mit ihrer Erkrankung in Zusammenhang steht, können sich an die vor wenigen Monaten neu eingerichtete psychosoziale Krebsberatung der Caritas wenden. – Super und Danke!, dass diese Notwendigkeit erkannt wurde!
>> Psychosoziale Krebsberatungsstelle im Landkreis Konstanz und der Region Überlingen
Nach Kontaktaufnahme und Schilderung meines Anliegens erhielt ich verhältnismäßig schnell einen Kennenlerntermin mit der potenziellen Therapeutin, bei der ich schließlich auch bleiben wollte. Wie bereits in meiner ersten, akut krebsbehafteten Psychotherapie ging es auch bei diesen Sitzungen unerwartet bald und tief ans Eingemachte, mit dessen Existenz ich genauso wenig gerechnet hatte wie mit dem sich auftuenden Ausmaß.
Nicht nur, dass jede (vermeintliche) Lebenspartnerschaft sowie deren Ende ihre Spuren hinterlässt, sei es mental oder körperlich: die Grundsteine für die passende Partnerwahl, woraus lebenswerte Beziehungen entstehen, werden bereits in der Kindheit von den direkten Bezugspersonen gelegt, über die Jugend erweitert und bis zum jungen Erwachsenenalter mitunter gefestigt.
Tja, was soll ich sagen? Diesbezüglich waren meine jungen Jahre nicht immer die besten oder gesündesten.
Ohne mich als Unschuldsengel und / oder Generalopfer präsentieren zu wollen, erkannte ich im Rahmen meiner abermaligen Selbstreflexion, dass ich mit meinem Grundsatzverständnis von Partnerschaft zwar gar nicht so falsch liege, welches jedoch immer wieder mit eben der Prägung durch mannigfaltige Ereignisse in der Vergangenheit kollidierte und mich mehrmals aus der Bahn warf: wenn ich nicht auf zu stur, zu hart, zu weich, zu verständnisvoll gestellt hatte, scheiterten drei Beziehungen tatsächlich (im weitesten Sinn) durch Vertrauensbruch seinerseits. Hm, was soll ich sagen? Skorpion-Geborene sind nicht gerade fürs Verzeihen oder Vergessen berühmt; selbst wir sind zu einem bestimmten Teil kaputtbare, verletzbare Menschen.
Ok, die üblichen Gründe und Konsequenzen vom Führen oder Scheitern von Beziehungen sind das Eine. Doch wie sieht es aus, wenn man eine schwere Erkrankung im Gepäck hat, egal ob sie gerade aktiv, inaktiv, lebensbedrohlich oder arrangierbar chronisch ist?

In meinem aktuellen Umfeld gab es fünf Paare, die bereits viele Jahre, manche Jahrzehnte zusammen, wovon vier Frauen und ein Mann unterschiedlich schwer erkrankt und die, mit oder ohne Trauschein, buchstäblich in guten wie in schlechten Zeiten füreinander da waren. Jedes von ihnen beneide(te) ich und nicht selten wünsch(t)e ich mir „sowas“ auch.
Ja, gut, ich habe noch ein paar Familienmitglieder und Freunde, die mir im Fall der Fälle beistehen, aber – auch auf die Gefahr hin undankbar zu klingen: Familie, Freunde, Nachbarn, Kollegen und sonstige Wegbegleiter sind mit einem Partner weder gleichzustellen, noch zu vergleichen. Wenn ihr versteht, was ich meine, gut; wenn nicht, weiß ich’s auch nicht besser zu schreiben.
Keine Ahnung, wie andere an Krebs erkrankte (Wieder)Singles darüber denken, doch gerade weil unsere Zeiten meist keine Sonntagsspaziergänge sind, bin ich davon überzeugt, mehr denn je Anspruch auf Ansprüche haben zu dürfen und sich nie mehr mit sehr viel weniger zufriedengeben müssen.
Tja, auf jeden Fall wird es auch mit Krebs im Nacken nie langweilig und ich bin sehr gespannt, für welche „Überraschungen“ die vierte Runde sorgen wird.
Meine Lieblingssaga Rocky besteht offiziell aus neun Teilen, wovon für mich nur die ersten sechs wirklich Rocky sind; Teil vier heißt Kampf des Jahrhunderts. – Nun, wir werden sehen, wer von uns auf den Brettern landet und liegen bleibt: das Arsch oder ich? – Und schon wieder läuft Revanche von Peter Maffay im Kopf …
Einen Galgen- und schwarzen Humor hab’ ich noch: Zumindest muss ich mir keinerlei Sorgen machen, sicher über den Winter zu kommen: der Krebs hat schon gestreut.
*in diesem Sinn*
eure Sandra