… Ist es noch nicht gut, ist es noch nicht das Ende.
So in Etwa, könnte man den (Zu)Stand meiner körperlichen wie mentalen Verfassung umreißen. Wobei, fast sechs Wochen nach Bestrahlungsende fand ich weitestgehend zu meinem nahezu unschlagbaren optimistisch-(schwarz)humorigen Pragmatismus zurück.
In München aufgewachsen, gehörte es bis zu einem gewissen Zeitpunkt zu einer Art „Kulturgut“, diverse Fahrgeschäfte auf dem Oktoberfest alljährlich „traditionell“ über sich ergehen zu lassen. Aber Leute, ich kann Euch sagen: gegen den Thrill, dem man sich während einer (wiedergekehrten) Krebserkrankung stellen muss, sind alle Tempobuden auf der Wies’n zusammen ein Witz!
Bereits im Beitrag vom 03.09.17 auf die Wichtig- und Notwendigkeit der psycho-onkologischen Betreuung hingewiesen, und dieses Jahr im April angekündigt, beruhigte es mich ein Stück weit, (wieder) auf meine Therapeutin zurückgreifen zu können. Andererseits hatte es diese Sitzung – wie die Erste 2017 – abermals mega in sich. Ob mit Anti-Depressivas eingestellt oder nicht: die beste und durchdachteste Versorgung damit bewahrt einen nicht im Geringsten vor mentalen Steilabhängen und Höllenritten.
Selbst meiner Therapeutin fehlten anfangs die Worte, nachdem ich ihr sämtliche Ereignisse, vorallem seit Mitte 2020, berichtet hatte und ihr völligst in Tränen aufgelöst gegenüber saß.
So pragmatisch-optimistisch ich eigentlich bin: trotz, dass ich in ’17 meine Nehmerqualität nahezu perfektionierte; trotz, dass ich Alles mir mögliche machte und machen ließ, um mir zukünftigen Krebs vom Leib zu halten (und doch „scheiterte“), versetzte mich das Bewusstsein der erneut näher gerückten, eigenen Endlichkeit (ich hatte mich gerade wieder mit einem tollen Job, einem grandiosen, neuen Haustier aufgerappelt!), keinen Partner (mehr) an der Seite zu haben, weil sich dieser als Kompetenzen-Attrappe entpuppte, dafür abermals „nur“ – Sorry, bitte nicht persönlich nehmen! – mit meiner Familie sowie alten und neu gewonnenen Freunden da zu stehen, in so etwas wie höchste, fast irrationale Verzweiflung und Panik. Es trifft einen mit voller Wucht; vorallem, wenn man noch jung ist. – Ey, 46 ist nicht alt! ;o)
Einen extremen Tiefpunkt, vielleicht sogar der Heftigste in all dem Mist 2.1, hatte ich Mitte Juni: ich lag bereits im Bett, war am Einschlafen, Mirta intus, überkam mich das dringende Bedürfnis … meine Erbenliste zu verfassen! – Einer meiner Ärzte davon erzählt, erklärte sie mir, ich sei noch lange nicht so weit. (Die Worte hört‘ ich wohl, allein mir fehlte das Gefühl.)
Irgendwann, man gönnt sich ja sonst nichts, erreicht man zusätzlich einen Punkt, an dem es enorme Selbstdisziplin bedarf, am Ball zu bleiben oder sich aufzuraffen, um nicht nur sich, sondern auch Wohnung, Auto, Kleidung in akzeptablem bis erträglichem Zustand zu halten, respektive wieder zu bringen. Vom Mindestmaß an Kontakt zu seinem nahstehenden Umfeld halten nicht zu schweigen. Nun weiß sogar ich, wie schnell und wodurch auch immer, man an den Rand zur Verwahrlosung geraten kann. – Es kommt auf den Einzelnen an, ob man sich dem Sog ergibt oder gerade noch so die Kurve kriegt!
An dieser Stelle ein riesen DANKE SCHÖN ! an meine liebgewonnene Maren, die bislang noch kein Krebs’le „live“ kennen und erleben „durfte“ und mir während meiner flügellahmen Zeit nicht nur von sich aus ihre Hilfe anbot, sondern sich tatsächlich Zeit nahm, mir „Kleinigkeiten“ wie bspw. Bett frisch beziehen sowie einen Abwasch abzunehmen!
Als Anfang Juli, parallel zur Chemo, schließlich die Bestrahlung startete … Leute, Leute, Leute … die in 2017 war nahezu Nichts dagegen … Weil Wiederholungstäter, bekam ich die höchstmögliche Strahlendosis verpasst und das gesunde Gewebe wurde, wenn überhaupt, gerade so nur gestreift.
Drei Tage nach Bestrahlungsbeginn begann die linke Schulter zu schmerzen, dass ich mich wenige Tage später freiwillig (!!) in die Notaufnahme des Krankenhauses machte. – *Furz-quer-sitz-Alarm!* : da durch Röntgen nichts gefunden wurde, erhielt ich in Schallgeschwindigkeit einen CT-Termin. Doch auch hier gab es keine klar bestimmbare Ursache, wodurch ich mir ein Extra-Physio-Ticket (neben Lymphdrainage nun auch ein paar Mal Krankengymnastik) sicherte. – Erst später entdeckte ich auf dem Rücken, etwa mittig des Schulterblatts, einen kleineren „Durchschuss“. Dieser sowie diverse Zwangs- bzw. Schutzhaltungen dürften / könnten für die Schmerzen verantwortlich gewesen sein.
Im Krankenhaus lernte ich außerdem das Schmerzmittel Tilidin kennen. Ein synthetisches, im Vergleich zu Morphin allerdings eher schwach wirkendes Opioid (Quelle: drugcom.de – check yourself), das mir in wenigen Wochen der beste Freund sein sollte, den man unter den „leichteren“ Schmerzmittel haben kann, wenn u.a. Ibu – ebenfalls – an seine Grenzen kommt. …
Dass sich der Tumormarker zu diesem Zeitpunkt weiter im Steigflug befand (meiner ganz persönlichen Beobachtung nach, nach der ersten Covid19-Impfung mit BionTec), legte meiner angeschlagenen Stimmung eine gute Schippe oben drauf.
Nicht mal mein Chemo-Doc konnte eine klare Aussage dazu geben: musste der Anstieg ernst genommen werden, handelte es sich lediglich um das so genannte Flare-Phänomen* oder war es eine bislang unbekannte, da unerforschte Gegebenheit bei akut behandelt werdenden Krebspatienten?
Ob der halbgaren Erklärungsversuche, die Schmerzen, die Gesamtsituation … man konnte buchstäblich zusehen, wie sich mein sonst recht sonniges Humor-ist-wenn-man-trotzdem-lacht-weil-Lachen-die-schöneren-Falten-macht-Gemüt nicht nur zunehmend verdunkelte, in Relation dazu steigerte sich mein skorpion-gegebenes, in der Regel gut unter Verschluss zu haltendes, Aggressionspotential … Ich wartete stellenweise nur darauf, dass mir irgendjemand irgendwo irgendwann (egal warum oder wie) saublöd über den Weg stolperte … – Hm, genau das schien ich auszustrahlen, denn niemand kam mir zu irgendeiner Zeit quer, womit eine Explosion meinerseits, glaubhaft als Notwehr hätte durchgewunken werden können. *Ach, menno!*
Die angekündigten Schluckbeschwerden, aufgrund der tangentiellen Strahlen im Bereich der Speiseröhre, stellten sich ebenfalls innerhalb kürzester Zeit „zuverlässig“ ein, sodass ich knapp sechs Wochen nichts handfestes essen konnten. Positiver Nebeneffekt: 3 kg runter! 🙂
Nach ca. 2,5 Wochen wurden die ersten Verbrennungen in der Achselfalte sowie am Übergang von Oberkörper zum Hals sichtbar, welche sich nach einer weiteren Woche zu Brandwunden zweiten Grades entwickelten und das bis dahin „süße“ Krebstherapie-Leben beendeten.
Alle Tipps, selbst die verschriebene Salbe Flammazine, verhalfen mir immer nur sehr kurzfristig zu einem Hauch von Linderung; Alles nichts Halbes und nichts Ganzes. Bis auf den Saft meiner Aloe Barbadensis (die in dieser Zeit einige Arme einbüßen musste), verkrusteten alle Salben und Gele, vorallem auf der großen Wunde Oberkörper-Hals, innerhalb von Minuten, wie Spiegeleier auf einer heißen Motorhaube.
Zum Ende der Bestrahlung, Mitte Juli, hätte ich eigentlich endlos erleichtert sein müssen … eigentlich … wären da nicht die mittlerweile ausgewachsenen Verbrennungen unter der Achsel und Oberkörper-Hals gewesen! Dünn mit Flammazine einschmieren, möglichst viel Luft an die Wunden lassen … Mhm.
Die Bestrahlung endete an einem Mittwoch. Am Samstag darauf waren die Schmerzen derart unerträglich, dass ich – über den Tag verteilt: morgens, mittags, abends – je 1 Tilidin einwarf! *räusper räusper* Laut Packungsbeilage ist die tägliche Einnahme auf 2 Stück, mit 12 Stunden Abstand, begrenzt. … Tilidin 1 und 2 hielten die Schmerzen in Schach und der Tag war mein Freund. Tilidin 3 knockte schließlich sogar mich aus und gönnte mir erst mal ordentlich SCHLAF!
Ruhe und Schlaf, zwei Aspekte, die in den letzten Monaten immer eher zu kurz kamen. Meine halbe Mirta ließ mich zwar selten im Stich; manchmal setzte ich mich allerdings mit innerer Unruhe und / oder Umtriebigkeit darüber hinweg, machte manche Nächte fast durch und erlaubte mir stattdessen (Nach)Mittagsschläfchen. Desweiteren hatte ich keinerlei, warnend von meiner Doc erwähnte Alpträume (eher verrückt-chaotische, amüsant-„unrealistische“), doch wirklich runtergeschraubt bekam / bekommt Mirtazapin mich oftmals nicht. Eine Ganze möchte ich jedoch nicht wieder nehmen, das hatten wir schon…
Die erste Chemo nach der Bestrahlung, wurde aufgrund der Wundheilungspriorität ausgesetzt. „Grand buffet“ gab es die Woche drauf, wodurch der bisherige Chemorhythmus (2 Wochen „Drops & Soups“ – 1 Woche Pause) um eine Woche verschoben wurde.
Fürs Erste bedeutete dies allerdings auch, dass sich meine Pause-Woche erledigt, wenn … ja, wenn ich nicht so ein findiges Bürschchen wäre und meinem Onko-Doc das OK zu einer kleinen Planänderung entlocken konnte: um Tabletten und Infusionen wieder in Einklang zu bringen, verlängerte ich die laufende Tablettenstrecke um eine Woche. – Chemo und Bestrahlung (zeitgleich im Sommer) waren schon eine Hausnummer für sich; warum also nicht (auch noch) die Tabletten ein paar Tage länger nehmen als bisher?!
Um dem asshole ein Weiteres drauf zu setzen, bekam ich ein zweites OK meines Chemo-Docs: statt wie bisher „nur“ 3 – 0 – 3, durfte ich die Tabletten „aufstocken“: 4 – 0 – 3. Yeah!
*in diesem Sinn*
* Vorübergehende Zunahme der tumorbedingten Beschwerden unter der Behandlung; z.B. bei einer Hormontherapie des Prostatakarzinoms mit LHRH-Analoga (aufgrund einer passageren Erhöhung von LH u. FSH mit nachfolgendem Testosteron-Anstieg) oder bei Patientinnen mit knochenmetastasiertem Mammakarzinom unter Strahlen- oder zytostatischer Therapie (im Skelettszintigramm zunehmende Nuclidspeicherung, Knochenbeschwerden).
Mehr zum Thema: https://www.gesundheit.de/lexika/medizin-lexikon/flare-phaenomen